Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
wieder aufgab.
Und er setzte nach.
»Dass der Abt vom Teufel besessen ist, behaupte ich. Prüfe selbst, ob ich die Wahrheit spreche.«
Alice stolperte und Bernhard ergriff ihren Arm, den er nicht wieder los ließ.
Widerstrebend und doch gleichzeitig angenehm berührt, zog sie ihn nicht weg.
»Wie du sicher weißt, ist das Kloster allein dem Adel vorbehalten. Noch niemals ist seit seiner Gründung durch Karl den Großen ein Nichtadeliger als Mönch aufgenommen worden.«
Bernhard machte eine Pause, um Alice diesen Fakt begreifen zu lassen.
»Selbst Markus, der nun mit uns zieht, ist adelig, wenn auch von niederem Adel. Der damalige Abt wusste nicht, ob er den Kaufmannssohn aufnehmen durfte. Ihn, er hieß damals noch Daniel, einfach abzuweisen, brachte der Abt nicht den Mut auf. Er ließ ihn tagelang draußen vor der Klosterpforte warten, um zu prüfen, wie ernst er es meinte. Dass Daniel dort mitten im Winter nicht verhungert und erfroren ist, zeigt schon, dass es nicht mit rechten Kräften zuging.
Nach mehr als einer Woche entschied der Abt sich, ihn ins Kloster hineinzulassen, bis der Konvent entschieden hätte. Doch wohin mit ihm? Sollte er in der Zugangshalle zum Pilger- und Armenhaus oder in der Zugangshalle zum Haus der vornehmen Gäste untergebracht werden? Der Abt schickte ihn zu den Armen, wo er mehrere Tage blieb, bis er sein Gelöbnis mündlich und schriftlich abgelegt hatte, dass er sich den Regeln des Klosters unterwerfen werde. Bei den Armen müsste er ziemlich Aufsehen erregt haben in den kostbaren, wenn auch verdreckten Kleidern, die er noch vom Fest trug, bei dem deine Mutter die Steintreppe hinuntergefallen war. Nebenbei gesagt, ich habe ihn dort angetroffen, als ich bei Euch zu Gast war. Ohne Licht war er oben auf den Stufen und hat sie betastet. Das böse Gewissen hat ihn dorthin getrieben zum Ort seines Verbrechens.«
»Ihr wart bei der Steintreppe? Wozu?«
»Ich wollte mir diese Treppe, von der ich so viel gehört hatte, einmal ansehen«, sagte er so obenhin. »Wir haben dergleichen nicht auf unserer Burg«, gab Bernhard zu.
Alice spürte, wie unangenehm Bernhard dieses Eingeständnis war. Vom gesellschaftlichen Rang stand sie weit unter ihm, vom Vermögen war ihre Familie jedoch zumindest früher der seinen überlegen gewesen.
»Der Rat der älteren Brüder konnte sich nicht entscheiden«, fuhr er in entschiedenem Ton fort. »Die Aufnahme eines Nichtadeligen, eines Kaufmanns, war eine so schwerwiegende, tiefgreifende Entscheidung, dass sie nur von allen Brüdern gemeinsam getroffen werden konnte. So war auch mein Cousin Philipp dabei, der gerade erst seine Gelübde abgelegt hatte, als Daniel seine Gründe darlegen musste, warum er aufgenommen werden wollte. Von dem gewaltsamen Tod deiner Mutter sagte er kein Wort. Nur dass die Welt schlecht sei und er für immer ihr entsagen wolle, ja, dass er ihr schon jetzt abgestorben sei. Er wolle mit der Welt niemals wieder etwas zu tun haben.
Man beratschlagte. Doch schon jetzt hatte der Teufel gewonnen. Daniel hatte es geschafft, den Abt für sich einzunehmen. Und der argumentierte mit der Benediktinerregel. Der Heilige Benedikt habe niemals geboten, dass in seinen Orden nur Adelige aufgenommen werden dürften. Ja, selbst bei der Abtwahl solle und dürfe die Herkunft keine Rolle spielen, sondern nur die Eignung für das Amt.
Prophetisch nahm er das Furchtbare voraus, dass Daniel tatsächlich einmal später Abt würde. Damals wies er auf das Vermögen, die Schenkung hin, die dem Kloster durch seinen Eintritt zukommen würde.
Daniel wurde also im Noviziat untergebracht. Doch schon dort, im Bad der Novizen, soll sein gefährlicher Einfluss sich geltend gemacht haben. Die anderen Novizen sollen begehrliche Blicke nach ihm geworfen haben, wenn sie sich morgens ihre Kutten auszogen und nur in ihrer Tunika dastanden und sich Arme und Füße wuschen. Doch Daniel schien sie in Schach gehalten zu haben – merkwürdiger Ausdruck«, unterbrach er sich, »das Spiel stammt von den Ungläubigen. Er hielt die Probezeit durch und hat gelobt, das Joch der Ordensregel auf sich zu nehmen, keinen eigenen Besitz zu haben und nicht einmal über seinen eigenen Leib zu verfügen. Damit war er also als Mönch in die Gemeinschaft aufgenommen worden und er erhielt den Namen Johannes.«
»Woher wisst Ihr das alles?«, wurde er von Alice gefragt.
»Von meinem Cousin Philipp. Ich sagte es bereits.«
Bernhard war unwillig, mit einer Frage unterbrochen zu werden. Es
Weitere Kostenlose Bücher