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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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den Fluch und das Teuflische vergessen. Niemand denkt mehr an deine Mutter, an ihren Tod. Und auch Martins Mutter, so hörte ich, als ich bei euch war, fiel eine Steintreppe hinunter. Dein Vater ist verarmt. Wie man munkelt, hat sich euer Geschäft niemals wirklich davon erholt, seitdem der Abt dem Handelshaus so viel Geld entzogen hat, um im Kloster aufgenommen zu werden. Dein Vater ist zum Krüppel geschlagen und niemand weiß, wie es mit ihm weitergehen wird. Nach Jerusalem jedenfalls kann er in diesem Zustand nicht mitkommen. Das weißt du auch genau. Er wird also niemals die Sündenvergebung erlangen, die uns allen der Papst verheißen hat, wenn wir für Christus in Jerusalem sterben. Im Kampf gegen die Heiden wird er auch nicht den Tod finden, sondern – nun, darüber wollen wir nicht sprechen. Das heißt, der Abt hat ihn um die Gnade des ewigen Lebens gebracht, indem er ihn materiell arm gemacht und dann selbstsüchtig hat handeln und zum Krüppel zusammenschlagen lassen. Übrigens bringt er auch den Mönch, der nach ihm die Leprakranken behandelt, um seine Ehre vor Gott. Er hat angeordnet, die Leprakranken seien mit einer Gabel zu füttern. Einer Gabel, Alice! Die ist ein Werkzeug des Teufels, sie sieht aus wie eine Forke. Kein Christenmensch darf eine Gabel benutzen.
    Und ob Martin jemals wiederkommt, weiß man auch nicht.
    Aber du, Alice. Wer sagt, dass nicht auch dir der Fluch gilt? Deine Familie ist tot oder so gut wie tot. Und du?
    Alle Frauen des Kreuzzugs von Peter dem Einsiedler sind entweder tot oder leben in der Gefangenschaft als Sklavinnen, sind verkauft nach Nikäa, Damaskus oder Bagdad. Dort können sie ungestraft getötet werden, wenn sie als Gespielinnen nicht mehr gefallen. Alle sind sie entehrt worden. Weißt du, warum die Muslime so viele christliche Sklaven brauchen? Weil Muslime selbst nicht Sklaven sein dürfen. Sie werden schon, sobald wir feindliches Gebiet betreten haben, nach euch Frauen Ausschau halten, besonders nach denen, die keusch sind und hübsch anzusehen.«
    Er ließ die Worte wirken und fuhr dann in besorgtem Ton fort.
    »Und du, Alice? Was ist, wenn der Fluch auch dir gilt? Welches Schicksal erwartet dich ohne jeden männlichen Beistand? Ohne Gottes Hilfe? Der Abt hat Macht über dich bis hierhin, bis nach Konstantinopel. Du fühlst es, du weißt es doch. Wie willst du dich schützen? Wie willst du dich gegen den Fluch wehren? Der Fluch ist stärker als du.«
    Alice senkte den Kopf und schwieg. Bernhard hatte recht. Alice fror. Alice hatte Angst. Sie sah ihn wieder vor sich, den Bruder ihres Vaters, in jener Nacht. Sie hörte ihn auf der Treppe – ohne Licht. Der Teufel musste ihm Augen verliehen haben, dass er auch noch in vollkommener Finsternis sehen konnte.
    Sie sah ihn in seiner schwarzen Kutte, mit funkelnden Augen und hartem Gesicht ihren Vater zwingen zur Teilnahme an diesem Kreuzzug. Der Abt besaß die Kunst der schwarzen Magie.
    »Nun, wie willst du dich schützen?«, beharrte Bernhard.
    Alice wusste es nicht. Ihr wurde angst in dieser Dunkelheit.
    »Lasst uns umkehren«, bat sie. Schweigend gingen sie nebeneinanderher.
    In der Ferne lag Konstantinopel und dort, über den Arm des St. Georg hinweg, lauerten die feindlichen Heere.
    »Nun, wie willst du dich retten?«, wiederholte Bernhard seine Frage und blieb stehen. Sie waren beim Hafen angelangt und ihre Gesichter wurden von einer Fackel erhellt.
    »Hast du darüber nachgedacht?«
    Alice nickte. »Ich weiß es nicht. Ich werde beten.«
    »Ich weiß ein Mittel«, erwiderte Bernhard.
    »Nun? Welches?«
    »Du trägst meine Ohrringe. Es hängen Kreuze daran. Die werden dich schützen.
    Ich hatte ein Gesicht des Nachts. Solange du diese Ohrringe trägst, wird dir kein Leid geschehen. Niemand wird es wagen, dich anzurühren. Gott wird mit dir sein.
    Hast du sie bei dir?«
    Alice verneinte.
    »Dann hol sie! Wir können sie bei mir in deine Ohrenläppchen stecken.«
    Alice rang nach Luft.
    Schweigend gingen sie zurück durch den Pinienwald. Leise und vorsichtig kroch Alice in den hinteren Teil des Wagens, wo sie ihr Gepäck verstaut hatten. Der Vater wurde aber dennoch wach:
    »Was ist?«
    »Nichts. Ich suche nur meine Ohrringe.«
    »Alice, Alice«, der Vater ergriff die Hand seiner Tochter und streichelte sie.
    Sie machte sich los. Der Ritter stand draußen und wartete.
    Ohne zu sprechen, gingen sie weiter durch das nächtliche Lager bis zu Bernhards Zelt.
    Er hatte es schon einen Spalt weit geöffnet, als Alice

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