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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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deine Eltern über ihrem Brautbett vor allen Hochzeitsgästen verflucht.«
    »Das ist nicht wahr.« Hastig bekreuzigte sie sich.
    »Das ist die Wahrheit. Frag deinen Vater. Und«, so setzte Bernhard nach einer kurzen Pause hinzu, »danach war genau ein Jahr vergangen, da war deine Mutter tot.«
    Er schwieg abermals.
    »Bedenke, Alice, ich weiß, wie traurig das für dich ist. Am Tag des ersten Kirchgangs nach deiner Geburt ist deine Mutter tödlich die Treppe hinuntergestürzt. Das weiß jeder. Meine Amme hat es mir erzählt. Und nun ist dein Vater zum Krüppel geschlagen worden.«
    Wieder ließ er die Worte wirken.
    »Hat dein Vater wirklich freiwillig das Kreuz genommen?«, fuhr Bernhard endlich fort.
    »Er machte mir während der ganzen Pilgerfahrt doch einen bedrückten und mürrischen und unzufriedenen Eindruck. Na, sag, Alice. Warum seid ihr auf dem Kreuzzug?«
    Bernhard ließ ihr jedoch keine Zeit, keine Gelegenheit, etwas anderes als den Fluch in Erwägung zu ziehen.
    »Er ist vom Teufel besessen«, verkündete Bernhard mit unheimlicher, drohender Stimme. »Der Abt ist vom Teufel besessen.«
    Alice zuckte zusammen. Wiederum bekreuzigte sie sich.
    »Ich weiß es genau. Ich habe Beweise. Mein Vetter Philipp hat mir alles genau und einleuchtend erzählt. Es ist ganz eindeutig, der Abt steht mit dem Teufel im Bunde.«
    »Wieso?«, fragte Alice, presste die Frage aus sich heraus, so sehr Angst hatte sie. Allein schon bei dem Wort Teufel wurde ihr angst und bange und sie vermied es, jemals diese Beschwörungsformel auszusprechen, weil sie immer die Sorge hatte, es möge etwas vom Teufel an ihr kleben bleiben und er könnte Macht über sie gewinnen.
    »Ich werde es dir genau erklären«, antwortete Bernhard und fasste Alice um die Schultern.
    »Alors, schon die Tatsache, dass der Abt, der damals ja noch ein Kaufmannssohn war, deine Eltern so wirkungsvoll verfluchen konnte, dass deiner Mutter an einem heiligen Tag ein Unglück widerfuhr und sie qualvoll starb, ist ein Zeichen. Aber damit nicht genug. Natürlich war ihm bewusst, dass jeder ihn verdammen würde, als deine Mutter tot auf dem Steinboden vor der Treppe lag, dass er der Hexerei angeklagt würde, dass er fliehen müsste, um sein Leben zu retten, und eigentlich war er gerechterweise schon des Todes, aber er war listig und der Teufel half ihm, seine List auszuführen. Statt sich in die Wälder zu flüchten, wo man ihn ganz sicher gefasst hätte, begab er sich nach dem Mord ins Kloster, in einer kalten stürmischen Nacht, in der die Geister des Bösen umherschwirren und die Hexen ihr schauriges Lied singen. Und wenn wir nicht von Geistern sprechen wollen, so war es doch eine Nacht, da die Wölfe bis zu den Wohnungen der Menschen kamen. In Paris ist dergleichen passiert und in Regensburg, gar nicht weit von uns. Er bat dort also den damaligen Abt Eckbart, Gott hab ihn selig, nicht nur um Einlass, um Zuflucht, sondern um Aufnahme. Er begehrte, Mönch zu werden.«
    Alice zuckte zusammen.
    Und gleichzeitig spürte sie Widerstand. Da ging sie meilenweit von diesem Kloster entfernt am steinigen Ufer des Goldenen Horns am finsteren Meer entlang, und da erzählte ein reichlich Fremder ihr etwas von ihrer Familie, was sie noch nie gehört hatte. Und auch wenn sie sich den Abt als ihren Onkel gar nicht richtig vorstellen konnte, so war es doch unerhört, dass dieser Ritter mehr über ihn wusste als sie selbst und dann noch so Furchtbares, so schreckliche Verdächtigungen, aussprach. Warum überhaupt jetzt und hier an den Abt denken, der doch nun wirklich weit entfernt war und mit diesem Heer, dem Alice sich allmählich zugehörig zu fühlen begann, nichts zu tun hatte.
    Die Tatsache aber, dass ihr Vater von Räubern um sein Vermögen gebracht, dass er zum Krüppel geschlagen worden war und besonders das Vorhandensein des Beutels unter ihren Röcken belehrten sie eines anderen.
    Der Abt, so fern er räumlich auch war, hatte doch mitgespielt, indem sie auf sein Verlangen ihrem Vater das Vermögen, das sie unter ihrer Kleidung verbarg, verheimlicht hatte. Und er hatte gewonnen, er hatte seinen Willen gegen ihre Pflicht als Tochter durchgesetzt. Um sich gegen seine Macht zur Wehr setzen zu können, war es notwendig, seine Gründe, seine Handlungsweisen zu kennen. Neugierde und Abscheu gewannen wieder die Oberhand.
    Bernhard spürte, dass sie ihr Widerstreben, ihr gekränktes Ehrgefühl, von einem Fremden Entscheidendes über die eigene Familie zu erfahren, allmählich

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