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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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versprochenen Lieferungen einstellen und gleichzeitig erwarten, Herzog Gottfried leiste ihm den Treueid? Schließlich hatte der Herzog schon Kaiser Heinrich IV. Treue gelobt, da würde er nicht einen Nebenbuhlerkaiser anerkennen.
    Diese Auseinandersetzung könnte sich ewig hinziehen. Grauenhaft diese Zähigkeit, diese Langeweile, alles dauerte viel zu lange. Bernhard gähnte, obwohl er nicht richtig müde war. Es war still im Lager. Pferde schliefen zwischen den Zelten. Die Lagerfeuer, an denen die Menschen gesessen und sich gewärmt hatten, glimmten vor sich hin, verloschen allmählich, in einem Zelt hörte er ein Kind weinen und ein leises, beruhigendes Tsch – Tsch. Sanfte Koseworte flüsterte eine Frau ihrem Kind ins Ohr.
    Unentschlossen, was er jetzt anfangen wollte, schlenderte Bernhard durchs Lager. Er näherte sich einem heruntergebrannten, gerade noch glimmenden Feuer, an dem ein Fußsoldat saß, das Schwert umgürtet, und Schalen von Sonnenblumenkernen in die Glut spuckte. Beim Näherkommen erkannte Bernhard den Mann, er gehörte zu den Bogenschützen, die Herzog Gottfried rekrutiert hatte und bezahlte.
    »Ritter, wie lange noch?«, sprach der Mann ihn an.
    »Wie lange noch was?«, fragte Bernhard zurück.
    »Wie lange müssen wir bei diesem dreckigen Goldenen Horn noch kampieren?«
    »Bis die anderen Heere eintreffen, schätzungsweise bis irgendwann im Frühjahr.«
    Der Mann spuckte wieder eine Ladung Sonnenblumenhülsen ins Feuer, dass es leise zischte.
    »Das Jahr im März begann, als Gott erschuf den Mann«, ließ sich der andere hören. »Wir sind Männer, wir wollen nicht herumlungern, wir wollen kämpfen. Wir wollen Taten.«
    »Die kannst du morgen haben. Du kannst Alexios, dem Bewahrer des wahren Glaubens, der Christenheit, eine kleine Freude bereiten, ein Spaziergang durch die Vorstädte von Byzanz. Kannst dir was Nettes aussuchen und deinem Liebchen schenken, falls du jemals zu ihr zurückkommst.« Damit schlenderte Bernhard weiter.

    Seine letzten Worte gaben Bernhards Gedanken eine neue Richtung, lenkten ihn auf den Punkt, der ihn schon den ganzen Abend beschäftigte, ohne dass er darüber wirklich nachgedacht hätte. Seit Selymbria hatte er Alice nicht mehr zu einem Spaziergang abgeholt, ja nicht einmal mehr mit ihr gesprochen.
    Nachdenklich machte ihn diese Kaufmannstochter. Bedenklich fand er es, wie er beobachtet hatte, dass Alice am Weihnachtstag eindringlich auf einen Priester eingesprochen hatte, den sie vermutlich überreden wollte, zu ihrem kranken Vater in den Wagen zu kommen, um ihm die Beichte abzunehmen und die Absolution zu erteilen. Anscheinend hatte sie Erfolg, denn der Priester ließ sich von ihr dorthin führen. Achtung, dachte Bernhard, was würde der Alte beichten?
    Den Schlafmohn und wer ihn besorgt hatte?
    Noch beunruhigender fand es Bernhard allerdings, dass er am Nachmittag Alice zusammen mit Freundinnen bei ihrem Wagen stehen und Brot verteilen sah. Alexios, dieser verräterische Hund, streicht ihnen die zugesagten Lebensmittel und während die meisten Pilger hungern, zieht diese junge Frau offenbar aus, geht zu den Bauern und bittet um Brot. Wahrscheinlich hat sie nicht einmal gebettelt, sondern es bezahlt. Möglicherweise hatten die Bauersleute auch Mitleid mit ihr, denn Alice trug statt ihres verschmutzten weiten Kleides eine Tunika, wie sie hier üblich war. Hübsch sah sie darin aus, besonders, da die rote breite Kordel und das rote Wellenband am Halsschlitz ihrem Gesicht Farbe verlieh, die gestickten Rosetten auf dem Vorderteil ihre Brust betonten, die durch den Gürtel, den sie eng um ihre Taille geschnürt hatte, noch hervorgehoben wurde. Wenn aber Alice, so dachte er weiter, mit ihrer Brotbeschaffung so erfolgreich war, dass sie teilen, dass sie abgeben konnte, dann gefiele es ihr möglicherweise überhaupt nicht, wenn er morgen mit Balduin und anderen Rittern und Bewaffneten plündern würde. Alice vertrat womöglich gar die Auffassung, dass es zwar schändlich war, den Pilgern die versprochenen Lebensmittel nicht zu liefern, um so den Treueid Herzog Gottfrieds zu erpressen, aber genauso wenig sei Plündern und Rauben erlaubt.
    Bernhard schüttelte abwehrend den Kopf. Alice war wohl sehr ehrlich und sie hatte offenbar noch Geld. Sie machte es sich nicht klar, dass viele Pilger kein Geld mehr hatten oder es aufsparen wollten und mussten, denn Jerusalem war weit. Auch ihm graute vor dem Augenblick und er sah den Tag kommen, wenn sein letzter, aber auch wirklich

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