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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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könnte sich durchaus um einen jungen und etwas mädchenhaft aussehenden Burschen handeln, dem noch kein Flaum auf den Wangen wuchs. Aymer war sich jedoch sicher, dass in den Kleidern der entflohenen Felicia de Lacaune etwas ganz anderes steckte. Doch dies war ein Geheimnis, das er vorerst noch nicht mit seinem Vetter teilen wollte.
    Er setzte das Verhör fort, aber die Aussagen der drei Gefangenen waren immer gleich. Sie wären zu dritt unterwegs gewesen und durch Zufall auf die Edeldame gestoßen. Wo diese hinwollte, wüsste keiner von ihnen. Es war nicht ganz richtig, aber auch nicht gelogen, denn erst jetzt, wo Ritter Aymer den dreien mit seinen Fragen zusetzte, begriffen Starrheim und Sebastian das, was Tilla schon die ganze Zeit gestört hatte. Mademoiselle Felicia hatte zwar wunderschön klagen können, aber keinen einzigen Namen genannt, der mit ihr in Verbindung gebracht werden konnte, nicht einmal den ihres Verfolgers.
    Nach einer Weile gab Ritter Aymer die Befragung auf und wandte sich seinem Vetter zu. »Sie wissen wirklich nichts über Felicia. Ich halte sie für teutonische Tölpel, die auf das Engelsgesicht unseres raffinierten Fräuleins hereingefallen sind.« Umseine Lippen spielte ein leichtes Lächeln, denn die junge Dame war in ihrem Bemühen, der aufgezwungenen Gastfreundschaft seines Vetters zu entkommen, sehr erfinderisch. Einmal war sogar er schuld gewesen, dass Felicia ihnen entschlüpft war, denn sie hatte ihn in ihre Kammer gebeten und dort nach Strich und Faden verführt, bis er vor Erschöpfung neben ihr eingeschlafen war. Dann hatte sie die unversperrte Tür ausgenutzt und war verschwunden. Zum Glück hatte sein Knappe ihn gesucht und geweckt, so dass sie die junge Dame noch in der Umgebung der Burg hatten aufgreifen können.
    Hugues de Saltilieu wusste nichts von dieser Begebenheit und Aymer war auch nicht daran gelegen, sie ihm mitzuteilen. Während sein Vetter grimmig auf seinen Lippen herumkaute, blickte er Tilla freundlich an. »Wisst ihr überhaupt, wer die Dame war, der ihr so selbstlos geholfen habt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß nur den Namen, den sie genannt hat.«
    »Unsere Gefangene ist die Nichte von Gaston Fébus, des Grafen von Foix, und damit die nahe Verwandte eines Rebellen, der sich in der schweren Stunde, die sich über Frankreich gesenkt hat, mit dessen Feinden verbünden will. Felicia wurde von König Charles höchstpersönlich meinem Vetter anvertraut, denn sie sollte eine Geisel für Graf Gastons Wohlverhalten sein.«
    Weder seiner Stimme noch seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, wie er zu der Flucht der Dame stand. Sein Vetter schien jedoch zu wissen, dass ihm ein königliches Donnerwetter bevorstand, wenn er seiner Geisel nicht wieder habhaft wurde, denn er brummte ein paar unverständliche Worte und zeigte dann nach Westen. »Wir bringen die Kerle nach Chabebil. Dort sollen sie wegen mir im Kerker verschimmeln. Morgen früh reitenwir weiter, denn Graf Gastons Nichte darf uns nicht entkommen.«
    »Das ist vernünftig«, stimmte Aymer ihm zu, um dann doch noch einen Einwand vorzubringen. »Wir sollten die drei nicht zusammen einsperren, sondern trennen. Ich will sie heute Abend noch einmal verhören. Vielleicht bekomme ich doch einen Anhaltspunkt aus ihnen heraus.«
    Hugues de Saltilieu nickte. »Tu das, Aymer. Wenn sie nicht spuren wollen, dann lass sie die Peitsche spüren. Auch diesen angeblichen Grafen dort.« Er wies dabei mit höhnischem Gesicht auf Starrheim, der an seiner Wut fast erstickte. So wie jetzt war er noch nie behandelt worden, und er fragte sich, was so mancher Knecht, den er mit Fußtritten zur Arbeit angetrieben hatte, von ihm halten mochte. Er hoffte, dass die Leibeigenen seiner Burgen bei seinem Anblick nicht den gleichen mörderischen Hass empfanden, den Hugues de Saltilieu in ihm ausgelöst hatte.
    Tilla kämpfte mit ihren eigenen Gedanken. Es wunderte sie, dass Ritter Aymer, wenn er zu den Gefangenen sprach, meist das Wort an sie richtete und nicht an Starrheim, der ihm in seiner eigenen Sprache hätte antworten können. Außerdem glaubte sie in seinen Augen einen Ausdruck zu erkennen, der ihr Angst machte.

V.
    Chabebil erwies sich als ein kleines Städtchen, das sich an den Fuß eines niedrigen Berges drängte, während über ihm die Burg gleichen Namens thronte. Wie etliche andere Wehrbauten beiderseits der Rhône zählte auch sie zu Hugues de Saltilieus Besitz.
    Obwohl Tilla sich völlig zerschlagen und

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