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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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erschöpft fühlte und vor Schmerzen am liebsten geweint hätte, hob sie den Blick, um die Stadt und die Burg anzuschauen. Der Ort bestand aus eng aneinander kauernden Fachwerkbauten, zwischen denen sich schmale Gassen erstreckten. Die Menschen, die ihnen begegneten, kümmerten sich kaum um die Reiter. Anscheinend zählte Herr Hugues nicht zu den beliebtesten Edelleuten, denn weder klangen Willkommensrufe auf noch warf ihm eines der Mädchen eine Kusshand zu.
    Der Ritter schien die Ablehnung der Leute nicht einmal zu bemerken, denn er sah über sie hinweg und lenkte seinen massigen Hengst den steilen Weg zur Burg hoch. Diese saß auf der Kuppe der Anhöhe und grenzte zur linken Seite direkt an eine Steilwand. Dort waren die Befestigungen auch weniger massiv als auf der anderen Seite, an der ein hoher Turm die Einfahrt zur Vorburg schützte. Hinter diesem erhob sich eine mächtige Schildmauer mit einem schmalen Tor, das kaum breit genug war, einen einzelnen Reiter durchzulassen, geschweige denn ein Gefährt. Alle Güter, die in die Burg gebracht wurden, mussten vor diesem Hindernis ausgeladen und per Hand weitertransportiert werden.
    Tilla sah etliche Leute, die Säcke und Fässer aus der Burg brachten und auf mehrere Ochsenkarren luden. Es schien so, als rüste man zum Aufbruch. Hier liefen Kriegsleute herum, die von erfahrenen Unteroffizieren kommandiert wurden, und diese entboten Hugues de Saltilieu jenes Willkommen, welches ihm als Herr der Burg zustand. Die Söldner ließen ihn hochleben und wünschten ihm, steinalt zu werden. Ein ganz vorwitziger Bursche schloss sogar die Potenz seines Herrn mit ein, die nie versagen sollte.
    Herr Hugues winkte den Kriegern geschmeichelt zu und riefdann seinen Vetter zu sich. »Schaff die drei Kerle in den Kerker!«
    »Wie du wünschst!« Ritter Aymer deutete eine Verbeugung an und gab einige Befehle.
    Sogleich wurden Tilla und ihre Gefährten aus dem Sattel gerissen. Sebastian und Starrheim waren innerhalb weniger Augenblicke bis auf die Bruche ausgezogen und ausgeplündert, bei Tilla beließen es die Söldner aber bei anzüglichen Bemerkungen, wie deren Mienen verrieten. Aymers Hinweis, sie sei ein junger Mann, der die Kleidung der flüchtigen Felicia de La caune angezogen hatte, um ihre Verfolger zu täuschen, verhinderte, dass man sie belästigte, denn keiner der Männer wollte sich dem Spott seiner Kameraden aussetzen.
    Die drei Gefangenen wurden durch die Pforte in der Schildmauer in den eigentlichen Burghof gezerrt und sahen nun den aus grauen Quadern errichteten Palas mit der angebauten Kapelle vor sich. Der wehrhafte Bau stand ebenso für sich alleine wie das Haus, welches die Küche enthielt, doch an der Mauer, die den inneren Teil der Burg umgab, drängten sich Wirtschaftsgebäude und Ställe. Das Ziel ihrer Wächter war ein mächtiger Turm, der die flachere Seite des Berges sicherte. Ein eifrig herbeieilender Soldat riss das Tor auf und leuchtete mit einer Fa ckel den Weg nach unten aus.
    Nach einer Weile gebot Ritter Aymer Halt und wies auf eine Tür. »Bringt den verkleideten Jungen da hinein!«
    Seine Untergebenen warfen ihm einen fragenden Blick zu, denn hinter der Tür lag eine Kammer für Gäste, die nicht hochrangig genug waren, um im Palas Unterkunft zu erhalten, aber auch nicht bei den einfachen Knechten nächtigen sollten. Sie gehorchten jedoch, und so fand Tilla sich in einem Raum wieder, der etwa sechs Schritte im Geviert messen mochte und nebeneinem recht breiten Bett, das mit einer Haferstrohmatratze und einer dunklen Wolldecke ausgestattet war, auch einen Tisch mit drei Schemeln enthielt. Die beiden Fenster waren zu schmal, als dass jemand hätte hindurchschlüpfen können, und zudem durch ein Kreuz aus Eisenstäben gesichert.
    Tilla hörte, wie ein massiver Riegel außen vorgelegt wurde. Wie das Geräusch verriet, wurde diese Kammer auch als Aufenthaltsort für edle Gefangene benutzt. Das erklärte jedoch nicht, warum man sie und nicht Rudolf von Starrheim hier eingesperrt hatte. Sie war jedoch zu müde, um lange darüber nachdenken zu können, und so wankte sie zum Bett und ließ sich darauf fallen. Obwohl ihr die Angst vor dem, was mit ihr nun geschehen würde, schier das Herz zusammenpresste, fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Das Geräusch des Riegels weckte sie, und sie sah, wie die Tür geöffnet wurde. Ritter Aymer trat ein, gefolgt von zwei Knechten, von denen einer eine Schüssel dampfendes Wasser trug, während der andere saubere

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