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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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muss er dran glauben!«, brüllte ein anderer.
    Otfried Willinger hob die Arme und forderte Ruhe. »Wenn Laux stirbt, wird sein Sohn das Bürgermeisteramt für sich fordern und es mit Hilfe seiner Söldner auch erringen, denn wir können nichts als Knechte aufbieten, die nur mit einem Knüppel umgehen können. Gegen Schwerter und Speere stehen unsere Männer auf verlorenem Posten.«
    »Wir brauchen selber Söldner!« Der Vorschlag kam von Schrimpp und die anderen nahmen ihn begeistert auf.
    Tillas Bruder lächelte, denn damit spielten sie ihm in die Karten. »Es wäre der Erwägung wert. Aber Söldner sind teuer, und sie müssen unter einem strengen Kommando stehen, sonst bringen wir die Bürger der Stadt gegen uns auf.«
    »Wärst du bereit, dich darum zu kümmern?« Obwohl es nicht abgesprochen war, warf Schrimpp seinem Verbündeten den nächsten Ball direkt in die Hände.
    Otfried wiegte den Kopf. »Ich könnte es tun! Doch von dem Augenblick an ist mein eigenes Leben keinen blanken Heller mehr wert, denn Damian Laux wird mich als Gefahr für seine eigenen Pläne ansehen und versuchen, mich auszuschalten!«
    Sein Argument verfing. Die Versammelten stießen Drohungen gegen den Sohn des Bürgermeisters aus und versicherten Otfried Willinger ihrer unverbrüchlichen Treue. Schrimpp stand sogar auf und umarmte den jungen Mann mit leuchtenden Augen,dann ergriff er einen vollen Becher und wandte sich an seine Gäste.
    »Ich bin dafür, dass Otfried Willinger ein Dutzend der Söldner, die er uns zuführt, als Leibwache benutzen kann, denn sein Leben muss unserer Stadt erhalten bleiben.«
    Otfried legte ihm freundlich lächelnd die Hand auf die Schulter. »Ich werde für bewaffnete Männer sorgen, doch sie sollen nicht mich allein, sondern jeden von uns vor Laux und dessen Sohn beschützen.«
    Bei diesen Worten musste er sich zu tiefem Ernst und dem notwendigen Pathos zwingen, denn innerlich lachte er die Ratsherren aus, die sich von ihm wie Bullen am Nasenring führen ließen. Weit musste er nicht gehen, um Söldner zu bekommen, denn er würde ganz einfach die Kerle nehmen, die jetzt noch in seinem Auftrag die Tremmlinger Handelszüge überfielen. Sein Freund Kadelburg musste eben weitere Soldknechte aus Bayern herbeischaffen, mit deren Hilfe er im Lauf der nächsten Wochen die Macht in der Stadt übernehmen konnte. Solange das alles nicht offen im Namen des Bayernherzogs geschah, war kaum mit einem Einspruch Kaiser Karls IV. zu rechnen, und wenn er erst einmal die Zügel in der Hand hielt, konnte er eine angebliche Habsburger Gefahr an die Wand malen und ein offizielles Bündnis mit dem Bayern eingehen. Nicht lange danach würde er die Stadt Herzog Stephan übereignen und seine Belohnung einheimsen.
    Mit einem Mal war es Otfried, als fiele eine schwere Last von seinen Schultern. War er erst einmal der unumschränkte Herr in Tremmlingen, musste er die Dokumente nicht mehr fürchten, die seine Schwester entwendet hatte. Für einen Augenblick fragte er sich, wo Tilla wohl sein mochte. Wahrscheinlich war sie längst in der Donau oder einem anderen Fluss ertrunken und diese Narren Anton Schrimpp und Rigobert Böhdinger irrten auf der vergeblichen Suche nach ihr herum, anstatt nach Hause zu kommen. Jetzt, wo die Lage sich in seinem Sinne zuspitzte, hätte er sie dringend gebraucht.

IX.
    Koloman Laux versuchte, seine Schwäche vor den Bürgern der Stadt zu verbergen, und gerade deswegen benötigte er für den Heimweg länger als je zuvor. Sein Herz raste und er fühlte das Alter an sich nagen wie eine Maus am Speck. Nun begriff er, wie seinem Freund Eckhardt Willinger in dessen letzten Monaten zumute gewesen sein musste. Wohl glaubte er, sich keine schweren Sünden vorwerfen zu müssen, aber dennoch sah er das Ende seines Pfades drohend auf sich zukommen. Wohin wird es mich führen, fragte er sich. Wohl kaum direkt ins Himmelreich. Ein paar Jahre oder Jahrzehnte Fegefeuer würden ihm gewiss sein, und er hoffte, dass es nicht noch tiefer ging, zu den Pforten der Hölle, an der Satans Knechte ihn empfangen und ewige Pein auf ihn warten würde.
    »Ein so großer Sünder war ich gewiss nicht«, entfloh es seinen Lippen. Trotz dieser Selbsteinschätzung beschloss er, dem nächstgelegenen Kloster einige hundert Gulden zu spenden mit der Auflage, jedes Jahr an seinem Sterbetag drei Messen für ihn zu lesen.
    Ganz in seine Gedanken eingesponnen bemerkte Laux nicht, wie verschieden die Leute, denen er begegnete, auf ihn reagierten.

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