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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Kleidungsstücke und verwandelten die beiden Männer wieder in Peregrine.
    Da Tilla auch Vater Thomas die genaueren Umstände ihrer Flucht verschwiegen hatte, glaubte dieser, Saltilieu und dessen Anhang hätten sie für einen jungen Mann gehalten, und beschloss, das zu tun, was er seiner Ansicht nach bereits in den ersten Tagen ihrer Pilgerschaft hätte machen sollen, und befahl Tilla, sich auf dem weiteren Weg ihrem Geschlecht gemäß zu kleiden.
    Daher führten Hedwig und Renata, die ebenfalls mit den Hausierern gehandelt hatten, die junge Frau beiseite und zogen sie hinter ein paar Büschen bis auf die Haut aus. Während Tilla sich im kalten Wasser eines kleinen Baches wusch und anschließend die von ihren Gefährtinnen erworbene Kleidung überstreifte, sammelte Hedwig ihre alten Sachen und brachte sie zum Lagerfeuer, damit Vater Thomas Felicia de Lacaunes einst prächtiges, inzwischen aber zerrissenes und verschmutztes Kleid den Flammen übergeben konnte.
    Als Tilla kurz darauf zu der Gruppe trat, buk Anna gerade mit Sebastians Hilfe Brot, das sie aus Mehl, Schmalz und Wasser geknetet und um Stöcke gewickelt hatte. Die übrigen Pilger waren ebenfalls nicht müßig, sie besserten ihre Ausrüstung aus oder rieben das trockene Leder ihrer Schuhe mit einer Fettschwarte ein, um es geschmeidiger zu machen.
    Bei Tillas Anblick erstarben jedoch alle Tätigkeiten. Sebastian ließ die vier Stöcke, die er in der Hand hielt, sinken, so dass das Brot mit den Spitzen in die Flammen geriet; Ambros schluckte und wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Krächzen heraus, während Graf Rudolf sich mit der Hand über die Stirn fuhr und sogar Peter die Augen aus dem Kopf quollen.
    »Das kann doch nicht dieselbe Person sein wie unser Otto!«, rief Dieter aus. Auch die anderen wollten ihren Augen nicht trauen. Für sie war Otto ein schlankes, hübsches Bürschchen gewesen, aber gewiss keiner, der weibisch gewirkt hätte. Jetzt stand eine hochgewachsene junge Frau vor ihnen, die ihre hellblonden Haare zu einem Zopf gebunden und um den Kopf geschlungen hatte. Sie hatte ein schmales, mehr hübsches als schönes Gesicht mit graublauen Augen, die so gar nicht den forschenden Blick zeigten, den die Kameraden von Otto gewöhnt gewesen waren. Statt der Beinkleider und des braunen Pilgerrocks trug sie nunein blaues Kleid, dessen Rock weit ausgestellt war und das in dem leichten Wind wie eine Fahne um ihre Waden flatterte, eine krapprote Schürze und ein gleichfarbenes Schultertuch, mit dem sie auch den Kopf bedecken konnte. Dazu bekam sie eine Pelerine, die allerdings so aussah, als hätte sie den Weg von Ulm nach Santiago schon zweimal zurückgelegt. Das Einzige, was sie von ihrer Kleidung behalten und auch vor Felicia de Lacaune gerettet hatte, waren ihre derben Schuhe.
    »Sag etwas!«, forderte Starrheim Tilla auf.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, antwortete sie leicht errötend.
    Graf Rudolf schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Das gibt es nicht! Selbst die Stimme klingt anders. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen und meinen Ohren gehört, ich würde es nicht glauben, dass ein Mädchen sich so lange als Mann ausgeben und unter Männern aufhalten kann, ohne sofort erkannt zu werden.«
    »Was zeigt, wie viel das Geschwätz wert ist, Männer seien das klügere Geschlecht. Ich habe Tilla sofort als Frau erkannt und Renata und Anna haben auch nicht lange gebraucht, um hinter ihr Geheimnis zu kommen. Mir wollte jedoch nicht einmal Vater Thomas glauben.« Hedwig grinste zufrieden, denn dieser Augenblick entschädigte sie für vieles.
    Sie kniff Tilla in die Wange und zwinkerte ihr zu. »Jetzt knickse so, wie es sich gehört, wenn man geistlichen Herren und Männern von Stand gegenübersteht.«
    Tilla gehorchte unwillkürlich und sah, wie Graf Rudolf sich seinerseits formvollendet vor ihr verbeugte. »Meine liebe Tilla, ich begrüße dich nicht nur als Reisegefährtin, sondern auch als jenes mutige Mädchen, das mich aus dem Kerker de Saltilieus befreit hat. Der Schurke wäre glatt imstande gewesen, mich dortlängere Zeit festzuhalten. Auch dafür schulde ich dir meinen Dank.«
    »Dummes Gesülze!«, murmelte Sebastian.
    Im gleichen Augenblick erhielt er von Anna einen leichten Schlag. »Pass doch auf das Brot auf, du Tölpel! Jetzt ist es ganz verbrannt und Asche hängt auch noch dran!«
    Sebastian riss die Stöcke aus dem Feuer, doch da war nicht mehr viel zu retten. Unter dem schadenfrohen Gelächter der

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