Die Pilgerin
Jene, die ihm immer vertraut hatten und es auch jetzt noch taten, grüßten ihn freundlich und wunderten sich ein wenig über seine scheinbar abweisende Art. Die anderen aber, die nunder Gruppierung um Schrimpp nahe standen, gingen ihm aus dem Weg oder drehten zumindest den Kopf weg, um ihn nicht grüßen zu müssen
Froh, den Weg hinter sich gebracht zu haben, betrat Laux den Hof seines Anwesens und sah einen Augenblick lang den Knechten bei der Arbeit zu. Das Bild, das sich ihm bot, schien kein anderes zu sein als in früheren Tagen. Dennoch fehlte etwas. Die Mienen der Männer drückten nicht mehr die gewohnte Freude an der Arbeit aus und es flogen auch keine Scherze mehr hin und her. In der Stadt trafen seine Leute auf die Knechte anderer Handelsherren und bekamen nun Häme, Beschimpfungen und Spott zu hören. Dabei war es sogar schon zu Raufereien zwischen ihnen und den Knechten von Schrimpp gekommen. Junge Burschen, die als Freunde aufgewachsen waren, bleckten die Zähne, wenn sie einander begegneten, und tasteten nach den Griffen ihrer Messer. Noch hatte es keine schwerer Verletzten oder gar Tote gegeben, doch da die Männer treu zu ihren jeweiligen Brotherren standen, waren sie auch bereit, sich für diese bis aufs Blut zu schlagen.
Damian kam aus dem Haus, sah seinen Vater und zog die Stirn kraus. »Du bist schon zurück? Da müssen die Ratsherren aber von ungewöhnlicher Entschlusskraft gewesen sein.«
»Die Sitzung wurde auf morgen vertagt, und das nicht durch mich!« Laux Stimme hörte sich an wie brechendes Glas.
Sein Sohn kniff die Augen zusammen und fasste ihn am Ärmel seines Rocks. »Komm ins Haus! So etwas brauchen die Leute nicht zu hören. Die Kerle sind mir eh viel zu aufmüpfig. Statt zu arbeiten, wie es sich gehört, prügeln sie sich lieber herum. Ich frage mich, wohin das noch führen soll!«
»In einen Aufstand und gar einen Bürgerkrieg«, gab Laux mit leiser Stimme zurück. »Schrimpp hat sich offen gegen mich gestelltund versucht, mich herauszufordern, und der größte Teil des Rates redet ihm nach dem Maul. Noch aber besitze ich die Macht in der Stadt. Um sie behalten zu können, benötige ich jedoch deine Hilfe.«
»Meine Hilfe?« Damian sah seinen Vater erstaunt an. »Was kann ich denn tun? Soll ich vielleicht morgen bei der Ratsversammlung an deiner Stelle sprechen? Es käme mir nicht gelegen, denn ich will mich in der Frühe nach Augsburg aufmachen, um dort neue Söldner anzuwerben. Ein Dutzend mehr können wir durchaus brauchen, wenn wir den nächsten großen Handelszug nach Italien schicken. Zwar will ich bayerisches Land meiden, aber Räuber kümmern sich nun einmal nicht um Grenzen und Marken. Erst letztens wurde einer von Schrimpps Wagenzügen im Burgauischen überfallen. Das soll uns nicht passieren.«
Laux hob warnend die Hände. »Es geht nicht nur um den Handel und darum, wie man den Räubereien ein Ende setzt, sondern um weitaus mehr!«
Damian antwortete nicht, sondern drehte sich im Flur um und suchte das Kontor auf. Dort setzte er sich aus reiner Gewohnheit auf den Stuhl des Kaufherrn, ohne zu bemerken, dass sein Vater mit einem einfachen Schemel vorlieb nehmen musste, obwohl ihm das Handelshaus gehörte.
Laux verzog kurz das Gesicht, beschloss dann aber, sich nicht am Benehmen seines Ältesten zu stören. Stattdessen sprach er beschwörend auf ihn ein. »Damian, du musst mir helfen, Schrimpp und seine Anhänger in Schach zu halten. Alleine schaffe ich es nicht mehr. Das Alter macht sich bemerkbar. Es sticht mir in der Brust und ich vermag kaum mehr zu atmen. Jetzt muss ein Jüngerer als ich diesen Kampf führen.«
Damians Miene nahm einen abweisenden Ausdruck an. »Ich bedaure, Vater, doch ich werde dich in nächster Zeit nicht politischunterstützen können. Wie ich dir schon sagte, werde ich zuerst nach Augsburg und dann nach Italien reisen, um Geschäfte zu tätigen. Söldner kosten viel Geld, und das muss erst einmal verdient werden. Du hättest Sebastian nicht hinter dieser Verrückten herschicken sollen, die längst ihr nasses Grab in der Donau gefunden hat. Jetzt treibt sich der Bengel so lange in der Welt herum, bis er den letzten Heller des Geldes vergeudet hat, mit dem er von dir so großzügig bedacht worden ist, oder geht gar in der Ferne zugrunde!«
Laux starrte seinen Ältesten ungläubig an und fragte sich, was er bei dessen Erziehung falsch gemacht hatte. Wie konnte sein Sohn nur so verächtlich von der jungen Frau sprechen, die er beinahe
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