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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zu einer Grimasse. »Noch bin ichnicht besiegt! Lasst euch das gesagt sein. Schon morgen kann sich das Blatt wieder wenden!« Für einen Augenblick verliehen ihm die eigenen Worte Mut, denn er hatte sich auch früher schon mehrfach dem Untergang nahe gewähnt und doch die Oberhand behalten. Allerdings war er damals jünger gewesen und nicht von allen Freunden verlassen worden wie an diesem Tag.

VIII.
    Schrimpps Haus nahm nach dem des Bürgermeisters, dem Willinger- und dem Gürtler-Anwesen den vierten Rang in der Stadt ein. Auf einem wuchtigen Steinfundament erhob sich ein großes Fachwerkhaus mit zwei Stockwerken über dem Erdgeschoss, und an das Wohngebäude schloss sich ein großer Speicher für Getreide und andere Nahrungsmittel an, die Schrimpp auf den Märkten der Umgebung aufkaufen ließ, um sie hier in der Stadt für teures Geld an den Mann zu bringen. Es war ein gutes Geschäft, denn die Leute wollten essen, und es gab in dem zu Tremmlingen zählenden Umland nicht genug Ackerbürger, die die Einwohner versorgen konnten. Den Bauern der umliegenden Herrschaften war es von ihren Grund- und Landesherren bei Leibesstrafe untersagt worden, Feldfrüchte und Schlachtvieh auf den Tremmlinger Markt zu bringen.
    Daneben handelte Schrimpp wie Laux und Willinger und einige andere Kaufherren der Stadt mit Luxusgütern, die er aus Italien, Burgund und anderen Gegenden bezog und für die die edlen Herren und Damen des Burgauer und bayerischen Umlands gutes Geld zahlten. Diesen war es im Gegensatz zu ihren Untertanen nicht verboten, in Tremmlingen einzukaufen.Schrimpp konnte sich durchaus wohlhabend, ja sogar reich nennen, auch wenn sein Vermögen weder an Willingers noch an das von Laux heranreichte und er in der letzten Zeit ebenfalls einige Rückschläge durch Handelsschikanen und Überfälle hatte hinnehmen müssen. Aus diesem Grund erschien es ihm angemessen, dass die Mitglieder des Rates sich in seinem Haus versammelten, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Von diesem Treffen bis zu seiner Wahl zu Laux’ Nachfolger war es dann nur noch ein kleiner Schritt.
    Als er die gute Stube betrat, die er erst in diesem Jahr durch Meister Kaifel neu hatte täfeln lassen, nickte er zufrieden. Seine Knechte hatten zwei Tische so zusammengestellt, dass sie eine große Tafel bildeten. Kannen mit süffigem Wein standen auf der Anrichte und davor füllten zwei hübsche Mägde silberne Becher, die sie seinen Gästen reichten. »Lasst euch den Wein schmecken! Es wird auch gleich etwas zu essen geben«, rief er seinen Begleitern zu und nahm Platz.
    Es war kein Zufall, dass der junge Willinger den Stuhl zu seiner Rechten in Beschlag nahm. Er war nun einmal der Reichste in dieser Runde und spielte, auch wenn er noch jung war, eine gewichtige Rolle in der Stadt. Männer, die vor wenigen Monaten noch die Nase gerümpft hätten, wenn Otfried der Versuchung erlegen wäre, ihnen von Gleich zu Gleich begegnen zu wollen, tranken ihm lächelnd zu und fragten ihn, was er denn vorschlagen würde, um die missliche Situation zu bereinigen.
    »Darüber sollten wir gemeinsam beraten!« Schrimpp fühlte sich übergangen und begann einen längeren Monolog, bei dem er kein gutes Haar an seinem früheren Freund Laux ließ. Da es sich um eine fast wortgleiche Wiederholung dessen handelte, was er im Ratssaal von sich gegeben hatte, langweilten sich die anderen Herren sichtlich und seufzten auf. Sie trösteten sichjedoch mit dem guten Wein und den Bratenscheiben, die nun ausgeteilt wurden.
    Otfried Willinger ließ Schrimpp reden, denn der Handelsherr bereitete ihm das Feld, welches er besäen wollte. Er lehnte sich zurück und musste an sich halten, nicht zu amüsiert zu wirken, als die Rede auf die großen Verluste durch die frechen Räuber kam, die die Wagenzüge der Handelsherren sogar noch an der Grenze des Stadtfriedens überfielen. Weder Schrimpp noch einer der anderen ahnte, dass er hinter diesen Überfällen steckte. Georg von Kadelburg hatte eine Gruppe bayerischer Söldner für diese Raubzüge abgestellt und teilte das erbeutete Gut mit ihm, so dass er sein Vermögen mehren konnte, anstatt wie die übrigen Tremmlinger Handelsherren immer ärmer zu werden. Nach einer Weile fand er es an der Zeit, selbst das Wort zu ergreifen. »Freunde, Reden allein bringt uns nicht weiter! Wir müssen handeln, und zwar rasch, wenn wir nicht untergehen wollen.«
    »Aber was können wir tun?«, fragte einer der Männer, die bis zuletzt zu Laux gehalten hatten.

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