Die Pilgerin
»Wenn wir Söldner anwerben, die unsere Handelszüge bewachen, kommen vielleicht die Waren an, doch der Verdienst fließt nicht in unsere Taschen, sondern in die der Wächter.«
»Laux aber kann es sich leisten, Söldner zu bezahlen!«, warf ein anderer ärgerlich ein.
»Ich könnte es auch«, gab Otfried Willinger ungerührt zurück. »Nur verbieten es die Gesetze unserer Stadt, Bewaffnete für private Dienste anzuwerben. Nur der Bürgermeister hat das Recht dazu.«
»Warum beschützen seine Soldaten dann nur seine Waren und nicht auch die unseren?«, rief ein Dritter zornig.
Otfried nahm zufrieden wahr, wie die Stimmung der Männerhochkochte. In diesen Augenblicken hätte er von ihnen verlangen können, Laux’ Anwesen zu stürmen, und sie wären ihm ohne Widerspruch gefolgt. Eine direkte Konfrontation mit dem Bürgermeister war jedoch noch nicht nach seinem Sinn. Die Stadtbüttel unterstanden Laux, und der kaiserliche Vogt, der allerdings nicht in Tremmlingen selbst, sondern in Nördlingen saß, würde nicht zögern, zu dessen Gunsten einzugreifen, ganz abgesehen von den Söldnern, die Damian als Wächter für seine Warenzüge angeheuert hatte. Wenn er etwas erreichen wollte, musste er Laux vollkommen zu Fall bringen. Der erste Schritt dazu war getan, und nun musste der zweite in die Wege geleitet werden.
Er erhob sich und setzte zum entscheidenden Stich an. »Freunde, ihr habt eben Laux’ Soldknechte erwähnt. Das ist ein übles Gesindel, welches sich in der Stadt aufführt, als würde sie ihnen gehören.«
»Ganz genau!«, pflichtete Schrimpp ihm bei, um nicht vergessen zu werden.
»Zudem seht ihr alle nur auf den Bürgermeister und fragt euch, was er will. Keiner von euch achtet auf Damian Laux, der nach außen hin harmlos tut, aber im Hintergrund still und heimlich seine Fäden zieht.« Otfried Willinger legte eine kurze Pause ein, um seine Worte wirken zu lassen, bevor er weitersprach.
»Ich fürchte Koloman Laux nur halb so sehr wie seinen Sohn. Damian hat sich nie um den Hohen Rat und seine Belange gekümmert, und wer sagt uns, dass er seine Söldner wirklich nur dazu benutzen will, seine Handelszüge zu bewachen? Kann er die Männer nicht auch angeworben haben, um nach der Macht in unserer Stadt zu greifen?«
»Der Bayernherzog würde ihm rasch in die Quere fahren«, warf einer der anderen Ratsmitglieder ein.
Otfried Willinger winkte lachend ab. »Nicht, wenn Damian Laux sich einen Verbündeten sucht, gegen den auch Herzog Stephan nichts ausrichten kann, Habsburg zum Beispiel. Herzog Stephan hat bereits Tirol an die Herren Leopold und Albrecht verloren und vermag es ihnen nicht mehr abzunehmen. Wenn Damian Laux sich nun an diese beiden anlehnt, kann er über den Bayern lachen. Der Herzog wird sich keinen weiteren Krieg mit Habsburg leisten können, denn der würde ihn noch mehr Land kosten.«
Dieses Argument verfing. Die Ratsmitglieder sahen einander schweigend an, bis Schrimpp das Wort ergriff. »Bestimmt steckt Damian Laux mit den Habsburgern unter einer Decke. Bedenkt doch, dass er einen großen Teil seiner Handelsgüter über deren Markgrafschaft Burgau bringen lässt. Uns machen der Vogt und die Amtmänner der Herren von Habsburg dort Schwierigkeiten, dem Handelshaus Laux jedoch nicht!«
»Genau! Das ist richtig! Wir müssen etwas unternehmen, bevor wir alle untergehen. Der größte Teil unseres eigenen Handels findet mit dem Bayernland statt. Stellt Damian Laux sich auf die Seite der Feinde von Herzog Stephan, wird dieser uns den Handel mit seinen Untertanen verbieten. Dann zerfällt unser Reichtum unter unseren Händen zu Asche!« Der Mann, der das rief, hatte noch am Vortag als geehrter Gast in Laux’ Haus gespeist.
Auch einige andere Ratsmitglieder äußerten sich in diesem Sinne und forderten, den Bürgermeister umgehend abzusetzen und selbst das Kommando über die Stadtbüttel und die städtische Miliz zu übernehmen.
»Es wäre das Beste, was geschehen könnte!« Otfried Willinger schränkte seine eigenen Worte jedoch sofort wieder mit einer bedauernden Geste ein. »Nur wird es leider nicht möglichsein. Der Bürgermeister wird den Gesetzen unserer Stadt zufolge auf Lebenszeit gewählt, und derzeit ist das Amt für die Familie Laux reserviert. Nur ein einstimmiger Spruch des Hohen Rates könnte dies ändern. Dafür aber müsste Laux seinem eigenen Niedergang zustimmen, und das wird er gewiss nicht tun.«
Einige schlugen auf den Tisch. »Dann zwingen wir ihn dazu!«
»Notfalls
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