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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Schrimpp und Rigobert hatten ja von Ambros gehört, dass sie und die anderen Frauen geschändet worden seien und die gesamte Gruppe umgebracht worden sei. Wie hätten die beiden ahnen können, dass Ambros nur ein Opfer seiner eigenen Phantasie geworden war.
    »Ich bin so froh, dass ihr lebt! Vielleicht gibt es jetzt doch noch Hoffnung.« Kaifel weinte fast vor Freude, während Tilla und Sebastian einander fragend ansahen.
    »Welche Hoffnung? Was ist geschehen? Erzähle! Wie steht es in unserer Heimatstadt? Mein Vater und mein Bruder befinden sich doch hoffentlich wohl?« Sebastian packte Kaifels schmierigesWams und hob ihn hoch, als wolle er die Worte aus ihm herausschütteln.
    Tilla begriff, dass es nicht mit ein paar kurzen Sätzen getan war, und wies auf die Bänke vor dem Weinstand, an den Ambros sie und Hedwig vor mehr als einem Jahr eingeladen hatte. »Kommt, setzen wir uns dorthin und reden weiter. Bei einem guten Schluck rutschen die Worte besser.«
    Kaifel leckte sich unwillkürlich die Lippen, denn er hatte in letzter Zeit nur noch sauren Hund zu trinken bekommen. Entsprechend durstig stürzte er den ersten Becher hinunter und bedachte Sebastian mit einem dankbaren Blick. »Das hat gut getan! Doch ich fürchte, du wirst mich für das verfluchen, was ich zu berichten habe.«
    Sebastian versetzte ihm einen Stoß. »Rede schon!«
    Kaifel, der den jungen Mann zu Hause als lockeren Vogel angesehen und über dessen Streiche den Kopf geschüttelt hatte, blickte traurig auf den Grund seines Bechers. Da Tilla annahm, er würde nicht sprechen, solange dieser leer blieb, schenkte sie ihm eigenhändig nach.
    »Ich bringe schlimme Kunde!«, begann Kaifel. »In Tremmlingen ist nichts mehr so, wie es einst war. Otfried Willinger beherrscht jetzt die Stadt, und er tut es mit eiserner Hand. Zunächst waren viele für ihn, weil er allen, die ihn unterstützten, goldene Berge versprochen hatte. Doch das hat sich rasch gewandelt. Jeder, der jetzt noch den Mund aufmacht, um gegen ihn zu sprechen, muss damit rechnen, im Turm eingekerkert zu werden. Mir ist es so ergangen. Zugegeben, ich war nicht mehr ganz nüchtern, als ich ein paar Worte gegen Willingers Handlungsweise gesagt habe. Jemand muss sie ihm zugetragen haben, denn er ließ mich noch in derselben Nacht von seinen Bayern abholen und ins Loch stecken. Zum Glück war meinWeib nicht auf den Kopf gefallen, denn es ist uns gefolgt und hat den Wächter bestochen. Daraufhin mussten wir die Stadt sofort verlassen und leben nun hier mehr schlecht als recht bei meinem Schwager, der unsere Notlage schamlos ausnützt und mich als Hilfsarbeiter und mein Weib als Magd schuften lässt.«
    Sebastian interessierte sich weniger für Kaifels persönliches Schicksal als vielmehr für das, was in Tremmlingen geschehen war. »Otfried Willinger beherrscht die Stadt, sagst du, und mein Vater und mein Bruder haben das so einfach zugelassen?«
    Kaifel spürte, dass er an dem Punkt angelangt war, an dem er mit dem schmerzlichsten Teil der Wahrheit herausrücken musste. »Dein Bruder Damian ist tot, Sebastian. Otfried Willingers Bayern haben ihm unterwegs aufgelauert und ihn ermordet, und was deinen Vater betrifft, so wurde er als Erster ins Loch gesteckt. Ob er noch lebt oder dort umgebracht worden ist, kann ich dir leider nicht sagen.«
    Tilla nahm Sebastians Erschütterung wahr und zog ihn tröstend an sich, obwohl auch ihr die Tränen in Strömen über die Wangen liefen. »Es tut mir so leid. Ausgerechnet mein eigener Bruder …« Mehr konnte sie nicht sagen, da ihr die Stimme versagte.
    Sebastian kämpfte gegen seine Verzweiflung an, die ihn niederdrücken wollte. Ich hatte Recht, durchfuhr es ihn. Es hat eine Verschwörung gegen die Stadt gegeben. O Vater, Damian, warum habt ihr mir nicht geglaubt?
    Bevor er in Selbstmitleid versinken konnte, schüttelte er mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf. Damals hatte er keine handfesten Beweise herbeibringen können, sondern nur eine Reihe von Beobachtungen gemacht, die seinen Verdacht geweckt und erhärtet hatten. Aber anstelle seines Vaters und seinesBruders wäre er auch skeptisch geblieben. Nun war Damian tot und sein Vater … Er wagte diesen Gedanken nicht zu Ende zu führen, sondern hieb mit der Faust auf den Tisch. »Dafür wird er bezahlen!«
    Tilla begriff, dass er ihren Bruder meinte, und nickte zustimmend. »Das wird er! Der Mord an Damian ist schließlich nicht seine verruchteste Tat!«
    Kaifel war in sich zusammengesunken, als habe

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