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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ja alles in bester Ordnung, und ich kann mich wieder unseren Geschäften widmen, die ich wegen deiner politischen Probleme etwas vernachlässigen musste.«
    »In meinen Augen ist nichts in Ordnung!« Sebastian blickte Vater und Bruder empört an. »Ich habe den Kadelburger erst vor zwei Tagen in der Stadt gesehen. Der ist gewiss nicht gekommen, um hier einzukaufen, sondern um mit Gürtlers Freunden zu sprechen und sich mit ihnen zu beraten. Ich sage euch, uns droht immer noch Verrat.«
    »Kleiner Bruder, du hast eine zu lebhafte Phantasie! Selbst wenn der bayerische Herzog die Unterwerfung unserer Stadt unter der Hand betriebe, so würden der Kaiser und die Reichsstände diese nicht hinnehmen. Deine angebliche Verschwörung war nicht mehr als Gürtlers Versuch, das Amt des Bürgermeisters zu erlangen, das unserer Familie seit langem zusteht und das ich dereinst von unserem Vater übernehmen werde.« Damians spöttisch gekräuselte Lippen zeigten deutlich, wie wenig er von Sebastians Meinung hielt.
    Der alte Laux jedoch strich sich nachdenklich über das Kinn und sah seinen jüngeren Sohn an. »Wo willst du Georg von Kadelburg gesehen haben?«
    »Am Neuburger Tor. Er ist von nur einem Knecht begleitet in die Richtung von Gürtlers Haus geritten. Ich habe auch gesehen, wie er es betrat …«
    »… und eine herbe Enttäuschung erlebt hat, weil sein Freundauf dem Friedhof ruht«, unterbrach Damian seinen Bruder lachend.
    »Also bist auch du davon überzeugt, dass der Bayer hinter Gürtlers Aktionen gesteckt hat«, trumpfte Sebastian auf.
    »Ich glaube gar nichts! Natürlich ist dem bayerischen Herzog an einem ihm genehmeren Bürgermeister in unserer Stadt gelegen als unserem Vater, doch auch ein Gürtler hätte Tremmlingens jahrhundertealte Reichsfreiheit nicht aufs Spiel gesetzt.«
    Damians Miene zeigte deutlich, dass er dieses Thema beenden wollte. Sebastian aber hockte wie eine lebendig gewordene Gewitterwolke auf seinem Stuhl und drehte seinen Becher in den Händen ohne daraus zu trinken. Schließlich blickte er seinen Vater anklagend an. »Ich war gestern bei Gürtlers Haus und wollte Tilla sprechen, doch man hat mich nicht zu ihr vorgelassen.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen. Sie ist in tiefster Trauer und soll, wie ich von Mauriz Schrimpp gehört habe, derzeit nicht ganz bei Sinnen sein. Da wärst du Tollkopf ihr gerade recht gekommen.« Damian hatte wenig Lust, sich mit einem weiblichen Wesen zu beschäftigen, dessen Gemütszustand so schwankend war, wie es Tilla nachgesagt wurde.
    Koloman Laux legte seinem Ältesten die Hand auf den Unterarm. »Nach so viel Unglück ist es kein Wunder, wenn Tilla derzeit ein wenig durcheinander ist. Doch das wird sich bald wieder legen. Eine Ehe zwischen dir und ihr würde uns eng mit Otfried Willinger verbinden und diesen unglücklichen Zwist im Rat ein für alle Mal beenden.«
    Damian rückte unruhig auf seinem Sitz herum und wusste nicht so recht, was er antworten sollte. Seinem Vater direkt zu widersprechen wagte er trotz der dreißig Jahre nicht, die er in wenigen Wochen vollenden würde. Dann aber fiel ihm ein Punkt ein, den er zu seinen Gunsten verwenden konnte. »Tillaist jetzt in doppelter Trauer. Das heißt, sie wird wenigstens ein Jahr lang, wahrscheinlicher aber zwei nicht heiraten können. So lange will ich nicht warten, denn ich brauche bald einen Sohn, dem ich die Geschäfte übergeben kann, wenn ich einmal deinen Sitz im Rat und das Amt des Bürgermeisters übernehme.«
    »Bei Gott, auf dieses eine Jahr kommt es doch wirklich nicht an. Außerdem kann Sebastian dich unterstützen.« Der Bürgermeister reagierte ärgerlich, denn aus seiner Sicht war die Ehe zwischen seinem Sohn und Tilla immer noch die beste aller Lösungen.
    Damian jedoch wies mit verächtlicher Miene auf seinen Bruder. »Sebastian soll mich unterstützen? Bei Gott, diesem Kindskopf könntest du schlichtes Augsburger Tuch für besten flandrischen Wollstoff verkaufen.«
    »So wenig Ahnung vom Geschäft, wie du behauptest, habe ich auch nicht.« Sebastian warf seinem Bruder einen bitterbösen Blick zu und wollte ihm noch einige weitere Bemerkungen an den Kopf werfen.
    Da klopfte ihr Vater mit der flachen Hand auf den Tisch. »Gebt Ruhe! Bei Gott, ihr steht zueinander wie Katz und Hund.«
    »Damian hat damit angefangen«, maulte Sebastian.
    »Kannst du nicht hören? Sei endlich still!«, schnauzte sein Bruder ihn an, drehte ihm den Rücken zu und sah seinen Vater Aufmerksamkeit heischend an.

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