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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Verwandtschaft zu ihr nicht zu eng zu setzen.
    »Freilich habe ich nach Otto gesucht, ehrwürdiger Vater. Von dem Augenblick an, an dem ich hörte, er habe sich auf den Weg nach Santiago gemacht, empfand ich den festen Willen, ihn auf diesem Weg zu begleiten.«
    »Du und zum Grab des Apostels pilgern? Da lachen doch die Hühner!« Tilla wollte sich schon an die Stirn tippen, merkte aber im letzten Augenblick, dass sie ja noch immer das Kreuz trug, und setzte es ab.
    Vater Thomas spürte, dass die Verbindung zwischen Tilla und Sebastian recht eng war, ohne sie jedoch einordnen zu können. Auf jeden Fall schien die junge Frau den Burschen nicht ernst zu nehmen. Dabei mussten sie etwa im selben Alter sein.
    »Ihr seid Freunde?«, fragte er, um mehr zu erfahren.
    »Freunde? Nun ja, so kann man es nennen.« Tilla sah den Pilgerführer hilflos an, denn vor den anderen konnte sie ihm nicht erklären, dass Sebastian der jüngere Bruder des Mannes war, den sie dem Willen ihres Vaters zufolge hätte heiraten sollen.
    Vater Thomas begriff, dass die Verhältnisse nicht so einfach lagen, und beschloss, Tilla noch an diesem Abend ins Gebet zu nehmen. Jetzt aber räusperte er sich und wies mit der Rechten in das Tal hinab, über dem auf halber Strecke das Kloster von Einsiedeln thronte.
    »Nimm das Kreuz auf, Otto, denn es drängt mich, am Grabe des heiligen Meinrads zu beten.«
    »Ich trage es für dich!« Sebastian wollte das Kreuz nehmen, doch da fiel die Hand des Pilgerführers schwer auf seine Schulter.
    »Nur einer aus unserer Gruppe darf das Kreuz tragen, mein Sohn. Du gehörst nicht dazu.«
    »Aber Ihr nehmt mich doch auf, nicht wahr?« Sebastians Blick glich dem eines bettelnden Hundes.
    Vater Thomas schüttelte den Kopf. »Ich bedaure, doch das gehtnicht. Wir sind zwölf nach der heiligen Zahl der Apostel Jesu. Einen Dreizehnten kann es nicht geben, denn keiner von uns ist würdig, die Stelle einzunehmen, welche der unseres Herrn Jesus Christus entspricht.« Dieser Bescheid klang unwiderruflich, doch so leicht wollte Sebastian nicht aufgeben.
    Er schloss sich daher dennoch der Gruppe an, die sich nun langsam und betend der Basilika näherte, und betrat mit ihr zusammen das Gotteshaus. Tilla trug das Kreuz auch während der drei Umrundungen des Kirchenschiffs und danach weiter bis zum Pilgerhospiz, in dem Sebastian ebenfalls Aufnahme fand. Seine gute Laune schwand jedoch sofort, als er unter den bereits versammelten Wallfahrern auch den Karmelitermönch entdeckte. Dessen Blick blieb vorwurfsvoll und auch ein wenig zornig auf ihm hängen. Jetzt erhob er sich und trat auf Sebastian zu.
    »Wie ich sehe, kleidet dich bereits die Tracht des Santiago-Pilgers. Somit steht unserer gemeinsamen Wallfahrt zum Grabe des Apostels nichts mehr entgegen.«
    Sebastian stöhnte auf, zumal Tilla sich mit blitzenden Augen an ihn wandte und er in ihrer Stimme einen Hauch von Spott zu vernehmen glaubte. »Du hast doch bereits einen Begleiter für die Pilgerschaft gefunden. Möge er dir ein ebenso guter Weggefährte sein, wie die meinen es für mich sind.«
    »Diesem Wunsch schließe ich mich an. Es muss ja nicht das Ende unserer Bekanntschaft sein. Auch wenn du nicht zu meiner Gruppe zählen kannst, werden wir wohl große Teile des Weges gemeinsam bewältigen.« Vater Thomas hatte Sebastians Widerstreben ebenso bemerkt wie die besitzergreifende Geste des Karmeliters, und er war erfahren genug, in dem Mönch einen Hunger nach körperlicher Liebe zu erkennen. Doch was der Mann sich wünschte, war eine schlimme Sünde, die bis insHöllenfeuer führen konnte. Beinahe war Vater Thomas gewillt, Sebastians Bitte um Aufnahme in seiner Gruppe zu erfüllen, doch die Angst, sich im Geiste an die Stelle Jesu zu setzen, ließ ihn davon Abstand nehmen.
    Der Karmelitermönch lächelte freundlich. »Wir werden wohl einige Tage in Einsiedeln verbringen, denn unsere Pilgergruppe ist noch nicht ganz zusammengestellt.« Unter der Aufsicht eines bekannt strengen Pilgerführers zu wandern, war nicht das, was der Mann sich wünschte. Daher versuchte er, Sebastian mit sich zu ziehen.
    Dieser machte sich jedoch mit einem energischen Ruck frei. »Verzeiht, frommer Bruder, doch Ihr werdet erlauben, dass ich bei meinem Vetter Otto bleibe.«
    Der Karmeliter entblößte die Zähne zu einer Grimasse, die Tilla unwillkürlich an einen gereizten Hofhund erinnerte. Wie es aussah, wollte der Mönch Sebastian behalten. Sollte er doch! Ihr lag nichts an der Begleitung dieses

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