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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Dann schloss sie die Handtasche wieder. Das schnappende Geräusch klang so angenehm, dass die Gäste in ihrer Nähe sich umdrehten.
    »Ich habe die jetzigen Adressen deiner vier Freunde herausgefunden. Wie versprochen.«
    »Aber das ist ja noch nicht mal eine Woche her!«, sagte Tsukuru erstaunt.
    »Ich arbeite von Natur aus schnell. Wenn man den Bogen einmal raushat, dauert das auch nicht besonders lange.«
    »Ich bin in so was nicht gerade versiert.«
    »Jeder hat seine Stärken. Ich kann keine Bahnhöfe bauen.«
    »Und bestimmt auch keine Reißbrettzeichnung anfertigen.«
    Sie lächelte.
    »Nicht mal, wenn ich zweihundert Jahre leben würde.«
    »Und du weißt jetzt, wo sie sind?«, fragte Tsukuru.
    »In gewisser Weise«, sagte sie.
    »In gewisser Weise?«, wiederholte er. Das hörte sich etwas seltsam an. »Was soll das denn heißen?«
    Sie trank einen Schluck von ihrem Kaffee und stellte die Tasse wieder auf den Untersetzer. Dann betrachtete sie einen Moment ihre Fingernägel. Sie waren in der rötlich braunen Farbe ihrer Handtasche lackiert und sahen sehr hübsch aus. Tsukuru hätte ein Monatsgehalt darauf verwetten können, dass das kein Zufall war.
    »Lass mich der Reihe nach erzählen, anders kann ich es nicht«, sagte Sara. Tsukuru nickte. »Natürlich, du erzählst so, wie es dir am leichtesten fällt.«
    Sara erklärte kurz, wie sie vorgegangen war. Zuerst hatte sie im Internet recherchiert, so viel wie möglich über Facebook, Google und Twitter in Erfahrung gebracht und den Lebenslauf der vier verfolgt. Über die Lebensumstände von Aka und Ao wusste sie nun in groben Zügen Bescheid. Es war nicht schwer gewesen, diese Informationen zu sammeln. Der größte Teil davon stand in Beziehung zu ihrem beruflichen Werdegang, und sie hatten sie freiwillig ins Netz gestellt.
    »Es ist schon seltsam, wenn man einmal darüber nachdenkt«, sagte Sara. »Findest du nicht? Obwohl wir eigentlich in einer Zeit zunehmender Beziehungslosigkeit leben, sind wir von so vielen Informationen über andere Menschen umgeben. Wenn man will, kann man sich ganz leicht Zugang zu diesen Informationen verschaffen. Und doch wissen wir fast nichts über andere Menschen.«
    »Solche philosophischen Betrachtungen passen ausgezeichnet zu deiner eleganten Garderobe«, sagte Tsukuru.
    »Danke«, sagte Sara und lächelte.
    Nicht ganz so einfach war es gewesen, etwas über Kuro herauszufinden. Denn anders als Aka und Ao hatte für sie nicht die Notwendigkeit bestanden, aus beruflichen Gründen Informationen über sich öffentlich zugänglich zu machen. Dennoch konnte man auf der Seite des Fachbereichs Kunsthandwerk einer staatlichen Kunsthochschule in der Präfektur Aichi ihren dortigen Werdegang verfolgen.
    Kunsthochschule in Aichi? Eigentlich hatte sie doch an einer privaten Frauen-Uni in Nagoya Anglistik studieren wollen. Aber Tsukuru wollte nicht unterbrechen und behielt die Frage für sich.
    »Aber die Informationen über sie waren sehr begrenzt«, sagte Sara. »Also habe ich bei Kuros Eltern angerufen und mich als Klassenkameradin aus der Oberschule ausgegeben. Ich wolle eine Zeitschrift für ehemalige Schüler herausgeben und hätte deshalb gern ihre aktuelle Adresse. Die Mutter war sehr nett und hat mir eine ganze Menge erzählt.«
    »Du bist bestimmt auch sehr geschickt vorgegangen«, sagte Tsukuru.
    »Kann sein«, sagte Sara bescheiden.
    Die Kellnerin wollte Sara noch eine Tasse Kaffee einschenken, aber diese winkte ab und wartete, bis sie wieder allein waren, ehe sie fortfuhr.
    »Bei Shiro war es zuerst etwas schwierig, dann aber ganz einfach. Ich habe fast nichts Persönliches über sie gefunden, aber dann lieferte ein alter Zeitungsartikel die gewünschte Information.«
    »Ein Zeitungsartikel?«, fragte Tsukuru.
    Sara biss sich auf die Lippen. »Es ist eine sehr merkwürdige Geschichte. Aber lass mich der Reihe nach erzählen.«
    »Entschuldige«, sagte Tsukuru.
    »Zuerst möchte ich wissen, ob du zu einem Entschluss gelangt bist. Möchtest du erfahren, was aus deinen Freunden geworden ist, und ihnen dann gegenübertreten? Auch wenn du dabei etwas Unangenehmes erfährst, das du vielleicht lieber nicht wissen würdest?«
    Tsukuru nickte. »Ganz gleich, was mich erwartet, ich werde mich mit ihnen treffen.«
    Sara blickte ihm einen Moment ins Gesicht.
    »Kuro, also Eri Kurono, lebt jetzt in Finnland. Sie kommt nie nach Japan«, sagte Sara.
    »In Finnland?«
    »Ja, sie hat einen Finnen geheiratet und lebt mit ihm und ihren beiden

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