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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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möglichst weite Ferne. Da seine Freundin Verhütungsmittel nahm, konnte er bedenkenlos in ihr kommen. Sie schlief gern mit ihm und schien auch befriedigt zu sein. Beim Orgasmus stieß sie seltsame Rufe aus. Alles in Ordnung, ich bin normal, konnte Tsukuru sich sagen. Und erotische Träume hatte er auch nicht mehr.
    Die Beziehung dauerte ungefähr acht Monate, dann trennten sie sich in gegenseitigem Einvernehmen. Er stand kurz vor dem Examen. Seine Anstellung bei der Eisenbahngesellschaft war bereits beschlossene Sache, und er hörte in dem Architekturbüro auf. Seine Freundin hatte, während sie mit Tsukuru zusammen war, in ihrer Heimatstadt Niigata eine Beziehung mit einem Jugendfreund unterhalten (Tsukuru hatte darüber von Anfang an Bescheid gewusst), den sie im April heiraten würde. Auch sie kündigte im Architekturbüro und zog nach Sanjo, wo ihr Verlobter arbeitete. »Deshalb können wir uns nicht mehr treffen«, hatte sie Tsukuru eines Tages im Bett eröffnet.
    »Er ist wirklich ein netter Mensch«, sagte sie, die Hand auf Tsukurus Brust. »Ich glaube, er ist der Richtige für mich.«
    »Ich finde es sehr schade, dass wir uns nicht mehr sehen, aber ich gratuliere dir«, sagte Tsukuru.
    »Danke«, sagte sie, und dann, als würde sie am Ende einer Seite eine kleine handschriftliche Fußnote hinzufügen: »Vielleicht habe ich irgendwann doch noch einmal Gelegenheit, dich wiederzusehen.«
    »Das wäre schön«, sagte Tsukuru. Aber es gelang ihm nicht, zwischen den Zeilen herauszulesen, was diese Fußnote konkret bedeutete. Er überlegte nur, ob der Verlobte vielleicht gerade das Gleiche zu jemandem sagte. Dann schliefen sie noch einmal miteinander.
    Er bedauerte es wirklich, dass ihre wöchentlichen Treffen beendet waren. Er brauchte eine feste Sexualpartnerin, um allzu lebhafte erotische Träume zu vermeiden und überhaupt in der Gegenwart leben zu können. Dennoch kam ihm die Hochzeit seiner Freundin nicht ungelegen. Er hatte sie zwar sympathisch und sexuell attraktiv gefunden, aber zu mehr hatte es nicht gereicht. Und außerdem war er dabei, einen ganz neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

9
    Als Sara Kimoto ihn auf dem Handy anrief, vertrieb Tsukuru sich gerade die Zeit damit, einen Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch zu sortieren, überflüssige wegzuwerfen und die Schreibutensilien zu ordnen, die sich in seiner Schublade angesammelt hatten. Seit dem Samstag, an dem er Sara das letzte Mal gesehen hatte, waren fünf Tage vergangen.
    »Kannst du reden?«
    »Ja«, sagte Tsukuru. »Ich habe ausnahmsweise einen ruhigen Tag.«
    »Gut«, sagte sie. »Könnten wir uns kurz treffen? Ich habe ab sieben ein Geschäftsessen, aber davor hätte ich Zeit. Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du nach Ginza kommen könntest.«
    Tsukuru sah auf die Uhr. »Ich könnte gegen halb sechs dort sein. Sag mir, wo ich hinkommen soll.«
    Sie nannte ihm ein Café in der Nähe der Kreuzung Yon-chome. Tsukuru kannte es.
    Er hörte kurz vor fünf auf zu arbeiten, verließ die Firma und nahm am Bahnhof Shinjuku die Marunoichi-Linie nach Ginza. Es war ein glücklicher Umstand, dass er die blaue Krawatte trug, die Sara ihm geschenkt hatte.
    Sara saß schon da und trank einen Kaffee, als er ankam. Sie sah die Krawatte und lächelte. Dabei erschienen zwei bezaubernde Fältchen in ihren Mundwinkeln. Die Kellnerin kam, und Tsukuru bestellte auch einen Kaffee. Das Lokal war voller Menschen, die sich nach der Arbeit hier verabredet hatten.
    »Entschuldige, dass ich dich von so weit her habe kommen lassen«, sagte Sara.
    »Ich bin gern ab und zu in Ginza«, sagte Tsukuru. »Noch schöner wäre es, wenn wir anschließend irgendwo in aller Ruhe zusammen essen könnten, oder?«
    Sara spitzte die Lippen und seufzte. »Ja, das wäre schön, aber ich habe heute ein Geschäftsessen. Ich muss einen wichtigen Mann aus Frankreich in ein Restaurant mit japanischen Spezialitäten führen und ihn unterhalten. So etwas fällt mir schwer. Ich bin dann immer ganz nervös und kann das Essen gar nicht genießen.«
    Tatsächlich hatte sie noch mehr Aufmerksamkeit als sonst auf ihre Garderobe verwendet. Sie trug ein gut geschneidertes kaffeebraunes Kostüm, und im Zentrum der Brosche an ihrem Kragen blitzte ein Brillant. Unter ihrem kurzen Rock waren klein gemusterte Strümpfe im Farbton des Kostüms zu sehen.
    Sara öffnete die rötlich braune Lacktasche auf ihren Knien und zog einen großen weißen Umschlag hervor, der mehrere gefaltete Ausdrucke enthielt.

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