Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
einem schwarzen Ledersofa, das ziemlich teuer aussah. Daneben stand ein Kübel mit einer riesigen Zierpflanze. Leise Musik von Antônio Carlos Jobim ertönte. Auf dem langen, schmalen Glastisch lag ein Hochglanzkatalog von Lexus.
»Hätten Sie gern Kaffee, schwarzen oder grünen Tee?«
»Kaffee, bitte.«
Während er sich den prächtigen Katalog mit den neuen Lexus-Limousinen anschaute, brachte sie ihm den Kaffee in einem cremefarbenen Becher mit Lexus-Logo. Tsukuru bedankte sich. Der Kaffee war vorzüglich. Er duftete frisch und hatte genau die richtige Temperatur.
Wahrscheinlich war er mit seinem Anzug und seinen Lederschuhen richtig angezogen. Er hatte keine Ahnung, wie ein Mensch, der einen Lexus kaufen wollte, normalerweise gekleidet war. Aber bevor er das Haus verlassen hatte, war ihm eingefallen, dass Polohemd, Jeans und Turnschuhe vielleicht zu leger wirken würden, und er hatte sich sicherheitshalber für Anzug und Krawatte entschieden.
Nach fünfzehn Minuten kannte Tsukuru alle Lexus-Modelle, die auf dem Markt waren. Sie hatten keine Namen wie Corolla oder Crown, man brauchte sich nur die Nummern der einzelnen Typen zu merken. Wie bei Mercedes oder BMW . Oder bei den Symphonien von Brahms.
Wenig später kam ein großer, breitschultriger Mann durch den Ausstellungsraum auf ihn zu. Für seine kräftige Statur bewegte er sich sehr flink. Er machte große Schritte und gab damit indirekt zu verstehen, dass er sich beeilte. Der Mann war ohne jeden Zweifel Ao. Von Weitem hatte er sich kaum verändert, er war nur etwas schwerer geworden, wie eine wachsende Familie oder ein Haus, das einen Anbau bekommt. Tsukuru legte den Katalog auf den Tisch zurück, erhob sich vom Sofa und begrüßte ihn.
»Oumi, sehr erfreut. Tut mir leid, dass ich Sie warten lassen musste.«
Ao verbeugte sich leicht vor Tsukuru. Sein kräftiger Körper war von einem blaugrauen Anzug aus einem leichten, guten Stoff umhüllt, der keine Falte hatte. Wahrscheinlich eine Maßanfertigung. Dazu ein hellblaues Hemd und eine dunkelgraue Krawatte. Seine Aufmachung war makellos. Während ihrer Studentenzeit hätte das niemand für möglich gehalten. Nur auf den Bürstenschnitt des Rugby-Spielers wollte er wohl nicht verzichten. Braun gebrannt war er auch.
Als er Tsukuru ansah, trat ein Anflug von Verwirrung auf sein Gesicht. Der Kunde schien ihm bekannt vorzukommen. Aber ihm fiel nicht ein, woher. Er lächelte und wartete, dass Tsukuru etwas sagte.
»Lange nicht gesehen«, sagte dieser. Seine Stimme hatte sich nicht verändert.
Ao hatte nun keinen Zweifel mehr.
»Tsukuru?«, fragte er und kniff die Augen zusammen.
Dieser nickte. »Entschuldige, dass ich dich so unangemeldet überfalle. Aber ich fand es so am besten.«
Ao holte so tief Luft, dass seine Schultern sich hoben, und atmete langsam wieder aus. Sein Blick wanderte an Tsukuru hinunter und wieder hinauf.
»Du siehst ja völlig verändert aus«, sagte er bestürzt. »Auf der Straße hätte ich dich nicht erkannt.«
»Dafür hast du dich kein bisschen verändert.«
Ao verzog den breiten Mund. »Doch, ich habe ganz schön zugenommen. Einen richtigen Bauch habe ich gekriegt. Und rennen kann ich auch nicht mehr. In letzter Zeit spiele ich nur noch einmal im Monat Golf – geschäftlich.«
Eine kurze Stille trat ein.
»Du bist doch sicher nicht hier, um einen Wagen zu kaufen?«, vergewisserte sich Ao.
»Nein, leider nicht. Ich würde gern mit dir reden. Auch wenn es nur ganz kurz ist.«
Ao runzelte leicht die Stirn. Schon früher hatte man es ihm immer angesehen, wenn er nachdachte.
»Heute ist alles ziemlich voll. Ich habe einen Außentermin und am Nachmittag eine Sitzung.«
»Sag, wann es dir am besten passt. Ich richte mich nach dir. Diesmal bin ich eigens deshalb nach Nagoya gekommen.«
Ao ging im Kopf seinen Terminkalender durch und warf einen Blick auf die Wanduhr. Es war halb zwölf. Er kratzte sich an der Nase. »Gut«, entschied er. »Ich mache um zwölf Uhr Mittagspause. Dann habe ich dreißig Minuten Zeit. Wenn du hier rausgehst und dich links hältst, kommt irgendwann ein Starbucks. Warte dort auf mich.«
Fünf Minuten vor zwölf tauchte Ao bei Starbucks auf.
»Hier ist es zu laut. Lass uns etwas kaufen und uns einen ruhigeren Platz suchen«, sagte Ao. Er nahm einen Cappuccino und einen Scone, Tsukuru eine Flasche Mineralwasser. Anschließend gingen die beiden zu Fuß in einen nahe gelegenen Park und setzten sich auf eine Bank.
Am Himmel hingen Wolken, es war kein
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