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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Blau zu sehen, aber nach Regen sah es auch nicht aus. Es war windstill. Die üppig grünen Ruten der Weiden hingen bis zum Boden und rührten sich nicht, als wären sie tief in Gedanken versunken. Hin und wieder versuchte ein kleiner Vogel, sich auf einem der dünnen Zweige niederzulassen, gab es jedoch bald auf und flog davon. Die so aufgestörten Weidenruten schwankten leicht und kamen gleich wieder zur Ruhe.
    »Es könnte sein, dass mein Handy klingelt. Ich kann es wegen der Arbeit nicht ausschalten«, sagte Ao.
    »Macht nichts. Ich weiß ja, dass du zu tun hast.«
    »Ein Handy ist unpraktisch, weil es so praktisch ist«, sagte Ao. »Und? Bist du verheiratet?«
    »Nein, ich bin noch allein.«
    »Ich habe vor sechs Jahren geheiratet. Wir haben ein Kind. Einen dreijährigen Jungen. Meine Frau ist jetzt wieder schwanger und wird langsam, aber sicher ganz schön rund. Es soll im September kommen. Wahrscheinlich ein Mädchen.«
    Tsukuru nickte. »Das Leben ist gut zu dir.«
    »Weiß ich nicht, zumindest geht es immer weiter und lässt sich nicht aufhalten. Mit anderen Worten, es gibt kein Zurück mehr.« Ao lachte. »Wie geht es dir denn so?«
    »Ich kann nicht klagen.« Tsukuru nahm eine Visitenkarte aus seinem Portemonnaie und reichte sie Ao, der sie laut vorlas.
    »*** Bahn-Aktiengesellschaft. Abteilung für Bau- und Ingenieurwesen.«
    »In der Hauptsache konstruiere ich Bahnhöfe und kümmere mich um die Wartung«, sagte Tsukuru.
    »Du hattest ja früher schon dieses Faible für Bahnhöfe.« Ao schien beeindruckt. Er trank von seinem Cappuccino. »Zumindest hast du einen Beruf, in dem du das machst, was dir gefällt.«
    »Nicht nur, schließlich bin ich angestellt. Da fällt auch eine ganze Menge langweiliges Zeug an.«
    »Es ist überall dasselbe. Solange man irgendwo angestellt ist, muss man sich mit jeder Menge langweiligem Kram herumschlagen.« Wie im Gedanken an diese Langeweile schüttelte Ao mehrmals den Kopf.
    »Wie verkauft sich Lexus als Marke?«
    »Nicht schlecht. Schließlich sind wir in Nagoya, der Heimat von Toyota. Toyotas würden sich hier auch von allein verkaufen. Allerdings besteht unsere Konkurrenz nicht aus Nissan und Honda. Unser Ziel ist es, die Käuferschicht zu gewinnen, die bisher ausländische Luxusmarken wie BMW und Mercedes gefahren hat. Dafür hat Toyota Lexus gegründet. Es wird vielleicht ein bisschen dauern, aber irgendwann klappt es.«
    »Niederlage kommt nicht infrage.«
    Ao sah ihn einen Moment verwirrt an, aber dann grinste er breit. »Ach ja, damals beim Rugby. An die komischen Sachen erinnert man sich am besten.«
    »Du warst gut darin, die Moral der Truppe zu stärken.«
    »Trotzdem haben wir dauernd verloren. Aber die Geschäfte gehen eigentlich gut. Natürlich ist die Konjunktur weltweit nicht großartig, aber die Leute, die Geld haben, haben immer welches. So viel, dass man sich wundert.«
    Tsukuru nickte schweigend.
    »Ich selbst fahre immer einen Lexus«, fuhr Ao fort. »Ausgezeichnete Fahrzeuge. Nie eine Panne, und leise sind sie auch. Auf der Teststrecke rasen sie mit zweihundert Kilometern dahin, aber das Lenkrad bleibt vollkommen ruhig. Die Bremsleistung ist phänomenal. Es fällt natürlich leichter, den Kunden etwas zu empfehlen, das einem selbst gefällt. Da kann man noch so sehr mit Engelszungen reden – wenn man selbst nicht überzeugt ist, verkauft man auch nicht gut.«
    Tsukuru pflichtete ihm bei.
    Ao sah ihm ins Gesicht. »Jetzt rede ich wirklich wie ein Autoverkäufer, oder?«
    »Nein, finde ich nicht«, sagte Tsukuru. Er wusste, dass Ao aus ehrlicher Überzeugung sprach. Aber zu ihrer Schulzeit hätte er bestimmt nicht so geredet.
    »Hast du einen Wagen?«, fragte Ao.
    »Ich habe zwar einen Führerschein, aber kein Auto. Wenn man in Tokio wohnt, kommt man ganz gut mit Bahn, Bus und Taxi zurecht. Meistens fahre ich mit dem Rad. Wenn es unbedingt nötig ist, kann ich immer noch ein Auto mieten. In der Hinsicht ist es ganz anders als in Nagoya.«
    »Stimmt eigentlich. Das ist bequemer und auch billiger.« Ao stieß einen kleinen Seufzer aus. »Kein Auto haben zu müssen ist gut. Und sonst? Gefällt dir das Leben in Tokio?«
    »Ich habe ja dort meine Stelle, und an die lokalen Besonderheiten habe ich mich mit der Zeit gewöhnt. Ich wohne ja nun schon ziemlich lange dort. Ich wüsste auch nicht, wo ich sonst hingehen sollte. Das ist alles. Nicht, dass ich begeistert von Tokio wäre.«
    Die beiden schwiegen. Eine Frau in mittleren Jahren mit zwei Border Collies

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