Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
»Du hast Yuzu nicht vergewaltigt. Das ist mir völlig klar.«
    »Aber am Anfang hast du ihr geglaubt. Genau wie Ao und Aka.«
    Eri schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe ihr nie geglaubt. Was Ao und Aka dachten, weiß ich nicht. Aber ich habe ihr nicht geglaubt. So etwas könntest du nie tun.«
    »Ja, aber warum …?«
    »Warum ich nicht aufgestanden bin und dich verteidigt habe? Warum ich Yuzus Anklage akzeptiert und dich aus der Gruppe verbannt habe? Meinst du das?«
    Tsukuru nickte.
    »Weil ich Yuzu beschützen musste«, sagte Eri. »Deshalb war es unvermeidlich, dich loszuwerden. Es war unmöglich, euch beide zu schützen. Ich wusste mir keinen Rat, als mich hundertprozentig auf ihre Seite zu stellen, was aber bedeutete, dich hundertprozentig zu ächten.«
    »So ernst waren ihre psychischen Probleme?«
    »Ja, das waren sie. Offen gesagt, es gab keinen anderen Ausweg. Irgendjemand musste sich ihrer ganz und gar annehmen, und dieser Jemand konnte nur ich sein.«
    »Es wäre schön gewesen, wenn du mir das erklärt hättest.«
    Sie schüttelte mehrmals langsam den Kopf. »Nein, damals war kein Raum für offene Aussprachen und Erklärungen. Wie hätte das denn aussehen sollen? ›Entschuldige, Tsukuru, aber könntest du vorläufig mal so tun, als hättest du Yuzu vergewaltigt? Es geht im Augenblick nicht anders. Yuzu ist leider verrückt geworden, und wir müssen etwas unternehmen. Du musst ein bisschen durchhalten, weil wir dich rausschmeißen müssen. Sagen wir mal, für zwei Jahre.‹ So etwas hätte ich nicht über die Lippen gebracht. Leider warst du der Einzige, der infrage kam. So verzweifelt war die Lage. Hinzu kam, dass Yuzu wirklich vergewaltigt worden war. Das war keine Lüge.«
    Tsukuru sah Eri erstaunt an. »Von wem?«
    Eri zuckte die Achseln. »Wir haben es nie erfahren. Aber Fakt ist, dass Yuzu gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde. Sie war sogar schwanger. Und sie war völlig überzeugt, dass du es warst, der sie vergewaltigt hat. ›Tsukuru Tazaki hat das getan!‹, sagte sie ganz klar. Sie hat das Geschehene so realistisch und detailliert geschildert – es war niederschmetternd. Uns blieb damals nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, was sie sagte. Auch wenn wir im Grunde unseres Herzens wussten, dass du so etwas nie hättest tun können.«
    »Und sie war schwanger?«
    »Ja, kein Zweifel. Wir waren zusammen bei einem Gynäkologen. Natürlich nicht bei ihrem Vater, sondern irgendwo weit weg.«
    Tsukuru seufzte. »Und dann?«
    »Im Spätsommer hatte sie eine Fehlgeburt, und es war vorbei. Aber es war keine Scheinschwangerschaft. Sie war wirklich schwanger und hatte wirklich eine Fehlgeburt. Das kann ich dir versichern.«
    »Dass sie eine Fehlgeburt hatte, heißt …«
    »Ja, sie wollte das Kind bekommen und allein großziehen. Sie wollte es auf keinen Fall abtreiben. Sie war unfähig, ein lebendes Wesen zu töten. Du weißt ja, wie sie war. Schon früher war sie immer sehr dagegen, dass ihr Vater Abtreibungen vornahm. Wir haben uns oft darüber gestritten.«
    »Weiß noch jemand von ihrer Schwangerschaft und der Fehlgeburt?«
    »Außer mir nur noch ihre ältere Schwester. Aber sie ist sehr verschwiegen. Sie hat uns auch geholfen, Geld aufzutreiben. Sonst weiß niemand etwas. Weder ihre Eltern noch Aka oder Ao. Wir drei hielten alles streng geheim. Aber ich finde, du hast inzwischen das Recht, es zu erfahren.«
    »Und Yuzu hat behauptet, ich sei es gewesen.«
    »Kategorisch«, sagte Eri.
    Einen Moment lang sah Tsukuru mit zusammengekniffenen Augen auf den Kaffeebecher in ihrer Hand. »Aber wie ist es nur dazu gekommen? Warum musste ausgerechnet ich es sein? Ich habe nicht den geringsten Anhaltspunkt.«
    »Ich weiß es auch nicht«, sagte Eri. »Mir sind verschiedene Gründe eingefallen, aber keiner davon war wirklich haltbar. Ich kann es mir nicht erklären. Ein Motiv könnte gewesen sein, dass ich damals in dich verliebt war. Das war vielleicht der Auslöser.«
    Tsukuru warf ihr einen erstaunten Blick zu. » Du warst in mich verliebt?«
    »Wusstest du das nicht?«
    »Natürlich nicht.«
    Eri verzog leicht die Lippen. »Jetzt kann ich es dir ja sagen, ich war damals die ganze Zeit in dich verknallt. Natürlich hätte ich das nie zugegeben. Nicht mal Ao und Aka haben etwas bemerkt. Aber Yuzu wusste es natürlich. Vor einer Freundin kann man so etwas nicht verbergen.«
    »Ich habe überhaupt nichts bemerkt«, sagte Tsukuru.
    »Weil du ein Idiot bist.« Eri tippte sich mit dem

Weitere Kostenlose Bücher