Die Plantage: Roman (German Edition)
hinaus, ihre Schritte verklangen, während Spencer verdrossen ins Feuer starrte. Longuinius wollte sich zurückziehen, um den kompromittierenden Brief in Sicherheit zu bringen. Als er hinausging, sah Spencer mit düsterer Miene auf, besann sich dann und stand auf, um den älteren Herrn höflich zu grüßen. Longuinius nickte und wollte schnell weitergehen.
»Oh Sir«, rief Spencer, »bitte warten Sie einen Moment.«
Longuinius seufzte und blieb stehen.
»Ich fragte mich gerade, ob ich Sie zu einer Spazierfahrt einladen dürfte«, sagte Spencer. »Sie konnten die Stadt länger nichtverlassen, da würden Sie eine Ausfahrt in der freien Natur bestimmt genießen.«
»Eine Ausfahrt? Pourquoi pas? « Longuinius überlegte kurz. »Wohin wollen wir denn fahren, Colonel?«
»Ach, es geht nicht um mich. Ich würde Ihnen den Wagen gern überlassen, Sie können dann alleine, nur zu Ihrem Vergnügen, aus der Stadt hinausfahren. Vielleicht möchten Sie sich das Feldlager ansehen?«
Sehr schlau, mein Freund!, dachte Longuinius. Ich fahre an deiner Stelle zum Feldlager, und bevor Harcourt sein Lunch beendet, hast du den armen Mr. Stuart längst erledigt! Er lächelte, dieser Goldjunge wollte ihm helfen, die Stadt zu verlassen – nun gut, eine bessere Chance würde sich kaum bieten!
»Ich nehme Ihr freundliches Angebot an, Mr. Spencer. Meinen Sie denn, Ihre Patrouillen lassen mich passieren?«
»Sie bekommen selbstverständlich meinen Passierschein, Sir.«
»Fein! Dann hole ich nur rasch Hut und Mantel.«
Ohne Gepäck, nur in seinem pelzbesetzten Mantel, den Brief an Washington unterm Hutband seines Dreispitzes, verließ Longuinius das Haus Benjamin Franklins in der Market Street. Als er in den Wagen stieg, gab ihm Spencer den Passierschein. Longuinius beugte sich noch einmal aus dem Fenster.
»Harcourt hat recht«, sagte er lächelnd. »Denken Sie an Ihre Karriere, junger Mann, lassen Sie Mr. Stuart am Leben!« Dann fuhr der Wagen an, und er winkte fröhlich zurück. » Au revoir, Colonel! «
Nach diesem Abenteuer hatte Longuinius sich manchmal gefragt, was wohl aus Mr. Stuart geworden war; oder aus dem Kutscher, der damals ohne seinen Fahrgast zurückkehren musste, der »dem Ruf der Natur folgend« am Waldrand ausgestiegen und danach spurlos verschwunden war.
Der Diener war gegangen. William nahm sich ein Glas Brandy, während Longuinius, in seinen Sessel gelehnt, noch etwas bei jener Zeit in Franklins Haus verweilte. Er hatte sichdamals ein paar Mal mit Spencer unterhalten, in der Hoffnung, an Informationen über Truppenbewegungen oder die Organisation des Nachschubs zu kommen. Aber Spencer erzählte am liebsten von der Jagd mit seiner Meute von Foxhounds und seinem Lieblingshund Clover. Unermüdlich ritt er mit dem Hundeführer neue Strecken ab und organisierte Fuchsjagden für seine Offiziersfreunde und ihre Damen. Nach seiner Flucht aus Philadelphia hatte Longuinius oft an Spencer gedacht. Er hatte ihn gerngehabt und insgeheim mit dem Sohn verglichen, den er nie hatte.
In den Jahren nach der Aufgabe Philadelphias führte Spencer mit der British Legion die Kampagnen in den südlichen Provinzen. Longuinius hörte vom Terror der Dragoons unter ihrem unerbittlichen Kommandeur. Es fiel ihm schwer, zu glauben, was aus dem etwas großspurigen jungen Mann geworden war, den er in so guter Erinnerung hatte. Als er ihn Jahre später an der Seite von Antonia Lorimer im Planters Club wiedertraf, erschrak er, so verändert kam Spencer ihm vor. Sein jugendlicher Schneid war zu einer harten, zynischen Haltung verhärtet. Aber da war noch etwas anderes; Spencer musste etwas erlebt haben, das über die gewöhnlichen Erfahrungen eines Krieges hinausging. Das hatte Longuinius gleich gespürt.
»Sie schweigen, mein Freund«, sagte er freundlich. »Und Sie machen mir den Eindruck, als läge Ihnen etwas auf der Seele.«
William nickte. »Meine Arbeit auf der Plantage ist so gut wie abgeschlossen, Mrs. Lorimer benötigt meine Hilfe nicht mehr.«
»Ich verstehe. In Ihrem letzten Brief erwähnten Sie eine Reise?«
William zögerte. »Mein Reiseziel könnte Anlass zu Spekulationen geben, die für Mrs. Lorimer von Nachteil wären.«
»Was denn für Spekulationen? Sagen Sie es geradeheraus: Sie wollen nach England zurückkehren!«
»Sir, ich habe Verpflichtungen, die mich in meine Heimat zurückrufen.«
»Gestatten Sie mir die Bemerkung, dass es für Sie auch hier Verpflichtungen gibt!«
Longuinius hatte seine Sanftmut verloren. Er
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