Die Plantage: Roman (German Edition)
schüttelte stumm den Kopf. Die Worte, auf die sie heute und in allen Nächten zuvor gewartet hatte, diese Worte würden von ihm nicht kommen. Doch er hielt sie, er wollte sie. Wie sollte sie ihm widerstehen!
20.
Das Küchenhaus auf der Rückseite des Anwesens summte wie ein Bienenstock. Charlene hatte alle Frauen und Mädchen um sich versammelt, sogar Antonia half bei den Vorbereitungen für das Festessen. Die Soldaten hatten auf der Wiese zwischen Allee und Wirtschaftshof alles Rüstholz zusammengetragen, das von den Bauarbeiten an der Bibliothek übrig war, und zimmerten daraus einfache Tische und Bänke.
Die Aprilsonne stand hoch am Himmel. Gegen Mittag wurde es so heiß, dass Sergeant Gallagher den Männern erlaubte, Uniformröcke und Hemden auszuziehen und sich mit einem kalten Guss zu erfrischen. Es dauerte nicht lange, dann übergossen die Soldaten sich gegenseitig eimerweise mit Wasser, bis alle triefend nass und lachend im Gras lagen. Nur Gallagher trotzte der Hitze mannhaft in voller Montur.
Im Herrenhaus war es still; gedämpft drangen von außen Geräusche herein. William hatte mit den Festvorbereitungen nichts zu schaffen, an seinem Sekretär im Schlafzimmer ordnete er Papiere, die er auf der Reise brauchte. Néné war nebenan mit Packen beschäftigt. Als der fröhliche Lärm der Soldaten lauter wurde, ging William vors Haus und sah der Balgerei eine Weile zu. Da bemerkte er eine altmodische Droschke, die die Allee heraufzockelte und in der Rotunde hielt. Ein paar junge Leute stiegen aus, denen aus dem Innern der Droschke etliche Pastetentöpfe und Brotkörbe herausgereicht wurden.
Eindeutig Shaughnesseys, dachte William und ging näher heran; gerade rechtzeitig, um einer stattlichen Matrone aus dem Wagen zu helfen. Niemand hatte so früh mit Mrs. Shaughnesseys Besuch gerechnet. William stand der Dame in wenig kleidsamer Aufmachung gegenüber; ohne Rock und Weste, die Hemdschöße über den Breeches, mit offenem Kragen und hochgeschlagenen Ärmeln. Sogar das Haar fiel ihm offen über die Schultern.
»Néné! Meinen Rock!«, rief er über die Schulter zum Haus.
Erynn Shaughnessey musterte unterdessen mit gestrenger Miene diesen Colonel Marshall, über den sie schon manches gehört hatte und der sie jetzt, wie er so vor ihr stand, eher an einen finsteren indianischen Wilden erinnerte als an einen Offizier der Kontinentalarmee.
Endlich kam Néné gelaufen und half William in den Rock. Nun begrüßte William Mrs. Shaughnessey noch einmal in aller Form. »Es ist mir eine Freude, Madam«, sagte er und verneigte sich tief. »Wollte Ihr Mann Sie nicht begleiten?«
»Mr. Shaughnessey wird später nachkommen«, antwortete sie etwas geziert. »Wenn ich ihn richtig verstanden habe, wollte er sich gern diese neuen Wasserräder ansehen, die Sie unten am Fluss anbringen ließen.«
»Wasserräder! Madam, falls es Sie interessiert, erkläre ich Ihnen gerne das Prinzip einer modernen Schleusenanlage …«
»Nein danke, nicht nötig!«, verwahrte sie sich gegen seine Belehrungen. Zu ihrer beider Erleichterung kam Antonia aus dem Haus, und William konnte sich zurückziehen.
Die beiden Frauen gingen hinein. In der Eingangshalle schob Erynn Antonia auf Armeslänge von sich und betrachtete sie mit kritischem Blick. »Sie sehen gut aus, meine Liebe. Dies Kleid bringt Ihre Figur zur Geltung.« Sie drehte Antonia nach rechts und nach links. »Täusche ich mich, oder haben Sie ein wenig zugenommen? Keine Angst, es steht Ihnen!« Sie legte mütterlich den Arm um sie. »Ich rate Ihnen, mein Kind, vergraben Sie sich nicht hier draußen auf der Farm. Fahren Sie in die Stadt, gehen Sie unter Leute. Sie sollten daran denken, wieder zu heiraten!«
Antonia seufzte. »Erynn, haben Sie jemanden Bestimmten im Auge?«
»Gott bewahre!«, rief Mrs. Shaughnessey. Sie trat vor den Spiegel und richtete das Band ihrer Haube, dabei sage sie: »Dieser junge Bankier, wie heißt er doch gleich …?«
»Tyler?«
»Richtig, Mr. Tyler. Er wird als Gilbert Ashleys Kronprinz gehandelt, wussten Sie das? Nun, Mr. Tyler war kürzlich bei uns zu Gast. Er ist so klug und sympathisch! Stellen Sie sich vor, er hat während des ganzen Essens nur von Ihnen geredet! Sie sind ihm nicht gleichgültig, meine Liebe. Vielleicht sollten Sie ihn ein wenig ermutigen?«
Antonia verdrehte die Augen. Doch weil Sie Erynns wohlmeinende Absichten kannte, machte sie gute Miene und lauschte wie eine folgsame Tochter dem Loblied auf Andrew Tyler.
Gegen vier Uhr
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