Die Plantage: Roman (German Edition)
Antwort.
»Hey, Josh!«, rief Farell und stieß ihn an, damit er aufmerkte. Zu Shaughnessey sagte er: »Es ist die Schwarze, die Sie mitgebracht haben, Sir. Sieht aus, als hätte sie unseren Mann hier bezirzt!«
»Aber Mr. Robert hat mich doch gebeten, Rovena mitzubringen«, antwortete Shaughnessey arglos. Alle Blicke richteten sich auf Joshua.
»Ich sollte wohl Mr. Marshall Bescheid sagen, dass alle da sind«, murmelte er und ging schnell davon.Nachdem sein Herr ihn nicht mehr benötigte, fiel Néné wieder in die gewohnte Lethargie. Langsam wanderte er über die Wiese und suchte sich einen Platz an einem freien Tisch. Nur an dem einem Ende saßen zwei junge Frauen aus den Pächterhäusern, die miteinander flüsterten, während sie den Soldaten am Nebentisch verstohlene Blicke zuwarfen. Néné kauerte schläfrig auf seinem Platz. Die Mädchen waren ihm gleichgültig, alle Menschen waren ihm gleichgültig, so war es immer gewesen.
Néné lebte jenseits des Glücks. Sein Herz war zu Asche verbrannt, zusammen mit der schwarzen Hexe, die auf dem Scheiterhaufen ihr Leben lassen musste. Es hieß, sie habe ihre Herrin durch einen Zauber getötet. Néné war sieben Jahre alt gewesen, als er mit ansehen musste, wie seine Mutter in den Flammen starb. Der Anblick verzehrte sein Innerstes; zurück blieb ein tauber, kalter Stein in seiner Brust, dessen dumpfe Fühllosigkeit ihn für immer von anderen Menschen trennte. Er blieb für sich und wurde gemieden. Nur bei William hatte er das Gefühl, wohlgelitten zu sein.
Tatsächlich mochte William ihn gerne um sich. Nénés Teilnahmslosigkeit war ihm nicht unangenehm, womöglich hatte er ihn gerade deshalb zu seinem Leibdiener gemacht. Nachdem er ihn von Shaughnessey gekauft hatte, wollte er ihn freilassen. Doch auf Legacy lebten bereits mehr freigelassene Schwarze, als nach dem Gesetz zulässig war, darum blieb Néné in Williams persönlichem Eigentum.
Als Kammerdiener kam er William sehr nahe, er bediente ihn beim An- und Auskleiden und kannte die Narben, die seinen Körper bedeckten. Hatte Néné auf Beau Séjour auch manch arge Misshandlung gesehen: Was seinem Herrn widerfahren war, schien damit nicht annähernd vergleichbar. In seinem eigenen dumpfen Leid fühlte er sich ihm verbunden, und sein Vertrauen wurde von William erwidert. Das galt auch für die Reise. Für beide stand außer Frage, dass Néné seinen Herrn begleiten würde.
»He du, Cuff !«, rief eins der Mädchen mit schriller Stimme. »Geh und hol uns Limonade.«
»Lass ihn in Frieden, Sarah«, sagte die andere. »Wenn die Missus dich hört.«
»Kann sie ruhig hören.«
»Die Missus will nicht, dass wir ihn wie ’n Sklaven behandeln.«
»Aber er ist nun mal ein Sklave! Na los, Nigger, beweg dich!«
Néné gehorchte. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, sich zu weigern, und er machte sich auf, die Limonade zu holen, die Charlene vorbereitet hatte. Hinter dem Herrenhaus war von den Geräuschen des Festes nichts zu hören. Die Tür vom Küchenhaus stand offen. Als er eintrat, bemerkte er Rovena, die beim Spülstein aus einer Schöpfkelle Wasser trank.
»Da bist du ja endlich«, sagte sie, kam zu ihm und legte die Hände auf seine Schultern. »Ich wollte dich noch einmal sehen, bevor du fortgehst.«
Er fragte nicht, woher sie es wusste. Sie betrachtete ihn ernst. Ihre und seine Augen hatten denselben Schnitt, denselben honigbraunen Farbton. Nachdenklich strich sie über sein weiches krauses Haar.
»Erinnerst du dich an deine Mutter Ayala, Néné?«
Er schüttelte den Kopf.
Ungewöhnlich sanft fuhr sie fort: »Du warst damals noch sehr klein. Ich konnte ihr nicht helfen, aber ich habe ihr versprochen, auf dich achtzugeben. Wenn ich mit den egun sprach, habe ich Ayala von dir erzählt, um die Ahnen freundlich zu stimmen. Ich habe versucht, dich zu beschützen. Aber ich kann es nicht mehr, wenn du in England bist.«
»Ink Land?«
»Er wird dich dorthin mitnehmen. Es ist seine Heimat.«
»Wo ist Ink Land ?«
»Ich weiß nicht, irgendwo.«
Sie schwiegen. Als Joshua hereinkam, sahen sie aus, als erwachten sie aus demselben Traum. Néné fiel ein, warum erhergekommen war, griff sich den Krug Limonade und trottete hinaus.
Joshua ging zu Rovena, zog sie an sich. »Ich habe dich gesucht.«
»Ich weiß«, sagte sie, indem sie sich seiner Umarmung entzog. »Aber ich wollte mich von meinem Neffen verabschieden.«
»Wo geht er denn hin?«, fragte er verblüfft.
Sie wich seinem Blick aus. »Zu seiner
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