Die Plantage: Roman (German Edition)
länger hatte sie bemerkt, dass er sich zurückzog und ihr Umgang formeller wurde. Es tat ihr weh, dass er das unkomplizierte Verhältnis, das immer zwischen ihnen bestanden hatte, einfach aufgab.
Sie ließ sich kraftlos aufs Bett sinken und zog die Decke um sich. Da war noch etwas. Der Anblick der Verliebten machte ihr die eigene Einsamkeit doppelt bitter. Sie sehnte sich so sehr nach Williams impulsiver, überwältigender körperlichen Nähe! Die Angst, ihn vielleicht für immer verloren zu haben, und der Schmerz des Verlusts überfielen sie mit ungekannter Macht. Sie krümmte sich unter der Decke zusammen und weinte untröstlich.
Joshua kam am nächsten Morgen zum Herrenhaus, um nachzufragen, was sie wünsche; ihren späten Besuch beim Kutscherhaus erwähnte er mit keiner Silbe. Sie studierte seine ruhige Miene und sagte: »Ich muss nach Charles Town. Wir sollten recht bald abfahren.«
»Ich werde den Landauer anspannen lassen, Madam. Noah wird Sie in einer halben Stunde abholen.«
»Noah?«, fragte sie verblüfft. Gleich wurde ihr peinlich bewusst, dass sie erwartet hatte, Joshua würde sie selber kutschieren. Wie unbedacht von ihr, den Verwalter zu Kutschdiensten heranzuziehen!
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«, fragte er mit einem Ausdruck leichter Ungeduld.
Genau so hatte William sie angesehen, wenn sie sich zu einer Angelegenheit äußerte, die er längst ohne sie entschieden hatte. Auch Joshua hatte ein paar Dinge ohne sie entschieden, als er die exponierte Stellung als ihr Verwalter übernahm und ein Stück von ihr abrückte, um sich schützend vor sie stellen zu können. Denn er würde Hocksley die Stirn bieten müssen, der seine Hand nach Legacy ausstreckte und der ihn seit jenem Überfall voller Hass verfolgte. Selbst seine Liebe zu Rovena würde ihn in Schwierigkeiten bringen, wenn er je wagen sollte, die Voodoo-Priesterin zu sich nach Legacy zu holen. Antonia zuliebe hatte er eine Bürde übernommen, von deren Last sie sich keine Vorstellung machte. Sie musste lediglich lernen, mit der ungewohnten Distanz zurechtzukommen.
»Noah soll sich beeilen«, sagte sie in geschäftsmäßigem Ton. »Ich möchte zur Mittagszeit in Lyndon House sein. Das wäre alles … Mr. Robert.«
Es war eine gute Entscheidung gewesen, nach Charles Town zu kommen. Antonia spürte sofort, wie der Rhythmus der Stadt und ihre bunte, laute, herrlich mutwillige Betriebsamkeit sie belebten. Rechtzeitig zum Lunch war sie in Lyndon House eingetroffen, und nachdem sie ihr Reisekostüm gegen eines von Lydias eleganten Tageskleidern getauscht hatte, stürzte sie sich heißhungrig auf die Delikatessen des Mittagstischs.
Die Freundinnen ihrer Schwester hinterbrachten ihr unterdessen den neuesten Klatsch über den Drayton-Skandal: Die Affäre von Gouverneur Draytons Tochter Sybill mit einem Captain der britischen Garnison war schon längereZeit Stadtgespräch, als durch eine Indiskretion herauskam, dass der schneidige Captain auch eine Liaison mit der Frau eines loyalistischen Zivilbeamten unterhielt. Alle Welt lachte über die ménage à trois , nur der düpierte Ehemann bestand darauf, sich mit dem Captain zu duellieren, und so kam es zum Eklat. Der Loyalist wurde, wie nicht anders erwartet, getötet und der Offizier nach Fort Wilderness, dem letzten britisch kontrollierten Außenposten, strafversetzt. Die entehrte Gouverneurstochter und die trauernde Witwe waren seither verschwunden. In Lydias Salon wollte man einem Gerücht Glauben schenken, wonach die Rivalinnen ihrem Liebhaber gemeinsam ins Indianerland gefolgt seien.
Die Unterhaltung drehte sich wie immer um wohltuende Belanglosigkeiten. Antonia ließ sich durch die Mittagsstunden treiben, und als sich die Gesellschaft auflöste, fuhr sie mit ihrer Cousine Elise Raleigh zur Broad Street, um durch die eleganten Geschäfte zu bummeln. In einem französischen Kaufhaus verbrachten sie über eine Stunde, probierten Hüte und Shawls und ließen sich dekorative Kosmetika zeigen. Antonia kaufte zwei chinesische Lackdöschen mit Puder und Rouge, die sie restlos beglückten. Sie verabschiedete sich von Elise und ging alleine weiter zu den Händlern am Marktplatz, die schon ihren Vater beliefert hatten, bestellte Tee, Kaffee, Rosinen, weißes Mehl, Zucker und Wein und vereinbarte, dass die Einkäufe am anderen Morgen von ihrem Kutscher abgeholt würden. Dann ging sie die King Street hinauf zum College Quarter.
Das College von Charles Town, nordwestlich des Stadtzentrums, war
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