Die Plantage: Roman (German Edition)
ihm anvertraut, Antonia habe Marshall wegen Tyler entlassen. Wenn das stimmte, dann war Antonia klüger, als er gedacht hatte. Wahrscheinlich, so dachte er weiter, würde sie auch Tyler wieder vor die Türe setzen, wenn ein anderer käme, der ihr noch mehr Sicherheit und Wohlstand bieten könnte. Zum Beispiel Reed, der nur darauf zu warten schien, von Antonia erhört zu werden.
Sollte es wirklich so einfach sein? Er müsste Reed nur davon überzeugen, dass er Antonia mit dem richtigen Engagement für sich gewinnen könnte. Wenn es dazu käme und Antonia Reed heiratete, fiele ihr Vermögen an ihren neuen Ehemann, auch die Plantage. Reed verfügte bereits über so viel Landbesitz, dass er einen so unbedeutenden Besitz wie Legacy bestimmt verkaufen würde, wenn man ihm einen guten Preis böte. Noch dazu, wenn er sich dadurch für Hocksleys Vermittlung erkenntlich zeigen könnte.
Auf einmal schien sein Ziel zum Greifen nah. Er musste so bald wie möglich mit Reed reden! Und dennoch dämpfte seinen Enthusiasmus ein leiser Zweifel, der ihm seit dem Gespräch mit seiner Frau nicht mehr aus dem Kopf ging. Was, wenn mit Reed tatsächlich etwas nicht stimmte? Diane neigte nicht zu Hysterie. War ihre Sorge am Ende begründet? Er hatte selber Reeds Aufmerksamkeit für seine Tochter bemerkt, und Dianes Andeutungen weckten gewisse Vorstellungen, bei denen sich ihm der Magen umdrehte. Meine kleine Dora!, dachte er mit klopfendem Herzen. Er wüsste nicht, was er täte, wenn jemand dem Mädchen ein Leid zufügte.
Jemand? Etwa ein kultivierter Mann wie Reed? Unsinn, Hirngespinste! Was sollte mit Reed denn nicht stimmen? Er war gebildet und wohlhabend, ein Mitglied der Charles Towner Gesellschaft und ein Patriot. Sein Prestige ließ Unterstellungen dieser Art einfach nicht zu. Er mochte exzentrisch sein, nun gut. Aber er war ein Gentleman.
27.
Nach Henrys Tod und der Flucht von Legacy hatte Antonia geglaubt, einsam zu sein. Jetzt erst erfuhr sie, was Einsamkeit wirklich war. Williams Abwesenheit schien ihr wie ein leerer Raum, der sie umgab, wohin sie auch ging, und sie von allem trennte, was sie nicht mehr mit ihm teilen konnte. Manchmal war es kaum zu ertragen, als wäre das Leben selbst mit ihm fortgegangen. In solchen Momenten versuchte sie, ihrem ungeborenen Kind, das sie für immer mit William verbinden würde, ganz nahe zu sein. Sie sprach mit ihm und sang ihm die traurigen deutschen Lieder ihrer Mutter Adela vor; das tröstete sie ein wenig.
Nachdem sich ihre Aufregung über die Schwangerschaft gelegt hatte, ging es ihr auch körperlich besser. Sie wurde zwar schnell müde, führte aber wieder ihr gewohntes Leben, unternahm Ausritte und bewegte sich auf ihrer Plantage mit altvertrauter Sicherheit. Außer Charlene und Joshua wusste niemand, dass sie ein Kind erwartete. Um sich jemandem mitzuteilen, führte sie eine Art Journal. Es war kein Tagebuch, eher ein Kalender, in dem sie üblicherweise die Zahlungsfristen der Bank oder Einladungen notierte. In diesem Journal beschrieb sie nun die Empfindungen, die ihre fortschreitende Schwangerschaft begleiteten. Auch andere Gedanken flossen mit ein, neue Eindrücke, Erinnerungen, präzise Zustandsbeschreibungen, die ihr ganzes Leben reflektierten. Es waren Briefe an den Abwesenden.
Eines Abends fiel ihr auf, dass die Tinte im Glas zur Neige ging. Auch das übrige Schreibzeug war in einem bedauernswerten Zustand, sie musste in die Stadt, um sich mit allem Notwendigen einzudecken. Einen Shawl um die Schultern geworfen, verließ sie noch einmal das Haus, um mit Joshua die Fahrt nach Charles Town zu verabreden. Auf dem Weg zum Wirtschaftshof überlegte sie, was sie alles mit dem Besuchin der Stadt verbinden könnte. Beim Kutscherhaus klopfte sie kurz an und öffnete die Tür: »Joshua, morgen fahren wir nach …«
Er war nicht allein. In dem vom unruhigen Herdfeuer erleuchteten Raum stand er mit einer Frau in den Armen. Die beiden küssten sich leidenschaftlich. Schnell zog Antonia die Tür wieder zu und lief zurück zum Herrenhaus. Atemlos, mit klopfendem Herzen stürzte sie hinauf in ihr Zimmer. Sie wunderte sich, dass der Anblick des verliebten Paars sie so verstört hatte, wusste sie doch seit dem Fest von Joshuas Verhältnis mit Rovena.
Nein, es war etwas anderes, eine sentimentale Regung, das Gefühl, dass etwas zu Ende war. Joshua, der seit sie denken konnte dafür gesorgt hatte, dass es ihr an nichts fehlte, ihr treuer Joshua hatte sich jetzt Rovena zugewendet. Schon
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