Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
Vom Netzwerk:
Lorrains und der Franzosen Boucher und Fragonard. Über der Flügeltür, durch die William hereingekommen war, umrahmten italienische Stillleben zwei delikate Knabenportraits Caravaggios. An der Westseite schließlich, zwischen raumhohen Fenstern, hingen ein früher Velázquez und, der Stolz des Hausherrn, eine Pietà von El Greco. Marmorbüsten standen auf Konsolen im Raum verteilt. Elegantes Mobiliar und persische Teppiche in reichlicher Menge ergänzten die Einrichtung und verliehen dem großen Raum einen erstaunlich wohnlichen Charakter.
    William schritt zügig auf das gegenüberliegende Ende des Saales zu. Während der Heimreise nach England hatte er sich an die glückliche Erregung erinnert, die ihn erfüllte, als er mit hochfahrenden Zielen von diesem Ort aufgebrochen war. Doch heute, bei seiner Rückkehr, fehlte jede Euphorie. Das erwartete Hochgefühl nach aller überwundenen Beschwernis stellte sich nicht ein. Er atmete tief durch, als könnte er die triumphale Atmosphäre des Saales in sich aufnehmen, und hoffte auf Inspiration. Jedoch kein Funke entzündete die frühere Begeisterung, die Götter und Genien der grandiosen Fresken blickten gleichgültig von ihren Wolkenthronen auf ihn herab. Der Weg durch den Saal schien ihm mit jedem Schritt weiter, sein Gang wurde ungelenk, als hätte die Energie, die ihn monatelang angetrieben hatte, sich in diesem Augenblick erschöpft.
    In der Mitte des Saales blieb er stehen. An dieser Stelle war er vor über sechs Jahren zum Lieutenant-Colonel befördert worden. Damals, als er mit Stolz das Regiment der 3rd Light Dragoons übernommen hatte, glaubte er sich am Anfang eines großen Abenteuers, in dem ihm eine zweifellos ehrenvolle Rolle zugedacht sei. Stattdessen begann mit dem Kommandoein gnadenloser Unterdrückungsfeldzug, der seinem Land keinen Ruhm einbrachte und der sein Leben und ihn selber für immer verändern sollte. Nun war er zurück, doch es war keine glorreiche Heimkehr. Und mit einem Mal, und viel zu spät, wurde ihm klar, was er bis jetzt erfolgreich verdrängt hatte: dass England nicht mehr auf ihn wartete! Mochte er selbst den Entschluss, zu seinem Regiment zurückzukehren, nie infrage gestellt haben: Hier wurde er wahrscheinlich nicht vermisst, am allerwenigsten von seinem früheren Mentor, dem gegenüberzutreten er soeben im Begriffe stand.
    Die erwartungsfrohe Spannung war dahin. Umso stärker wurde die alte Erbitterung, dass man ihn in Amerika einem ungewissen Schicksal überlassen hatte. Aber er durfte sich seine Gefühle nicht anmerken lassen, und so gab er sich den Anschein von Gelassenheit. Müßig auf den Ebenholzstock gelehnt, blickte er dem älteren Mann in Zivil entgegen, der über seinen Briefschaften am Schreibtisch saß.
    Als der Klang der Schritte verhallte, sah der Mann auf, um sich nach kurzem Zögern zu erheben. Tags zuvor war ein Schreiben abgegeben worden, darin bat ein gewisser Colonel Marshall um ein Gespräch unter vier Augen; er machte keine Angaben zu seiner Person, betonte nur seine Verbundenheit mit den Regimentern der Dragoons. Das Interesse des Mannes war geweckt, zumal der Stil des kurzen Briefs ihn an die Depeschen eines seiner fähigsten Kommandeure erinnerte, der im amerikanischen Krieg gefallen war. Die Umstände, unter denen dieser umgekommen war, belasteten sein Gewissen mehr, als er sich eingestehen wollte. Einem Wunschdenken folgend, hatte er dem unbekannten Schreiber unter der angegebenen Adresse eines Hotels in Mayfair für den heutigen Tag eine Einladung zukommen lassen.
    Während er seinen Besucher jetzt schweigend musterte, wurde die hoffnungsvolle Ahnung, die ihn in den letzten vierundzwanzig Stunden umgetrieben hatte, zur Gewissheit.
    Williams Miene dagegen verriet keine Gefühlsregung. »Mylord«, sagte er, mehr nicht.
    »Spencer! Sie sind es tatsächlich!«, rief da der ältere Mann und ging rasch auf ihn zu. »Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Wo zum Teufel haben Sie nur gesteckt, Colonel?«
    Erleichtert und freudig gerührt ergriff er die Hand seines verloren- und totgeglaubten Offiziers, fast hätte er ihn umarmt. Als der Mann ihn wieder freigab, grüßte William militärisch, ohne jene Nonchalance, die seinen Vorgesetzten zu anderer Zeit gereizt hatte. Er wirkte kühl, Ergriffenheit erschien ihm nicht angebracht. Seine Lordschaft gab sich sehr herzlich, bat ihn, näherzutreten und Platz zu nehmen, wobei er Williams Gehstock mit einem ernsten Seitenblick registrierte. Ein Diener brachte Tee und

Weitere Kostenlose Bücher