Die Plantage: Roman (German Edition)
untergebracht und mit ausreichend Futter und Wasser versorgt, es dann aber sich selbst überlassen. Als Joshua nun das Gatter öffnete, wandte das Pferd sich herum, brachte seinen großen ramsnasigen Kopf näher heran, sog den Geruch des Mannes in seine Nüstern und stieß die Luft geräuschvoll wieder aus.
»Was bist du für ein prächtiger Bursche!«, sagte Joshua voller Bewunderung. Mit ruhiger Hand strich er über den Brustkorb des Pferdes, ertastete den Zustand von Knien, Sprunggelenken und Hufen. »Offenbar kann er eine ganze Menge verkraften«, bemerkte er. »Ein gut trainiertes Militärpferd, es muss in ausgezeichneter Verfassung gewesen sein vor diesem letzten Gewaltritt.« Er untersuchte Augen und Ohren des Tieres, dabei sagte er halblaut: »Da hat jemand drauf geachtet, dass du immer gut versorgt warst, nicht wahr, mein Großer?«
Er klopfte dem Pferd die Schulter, verließ die Box undschloss sorgfältig das Gatter. Antonia machte ihm ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie gingen bis ans Ende der Stallgasse und betraten die Futterkammer, in der mehrere hüfthohe Hafertruhen standen. Antonia schob einen Stapel leerer Kleiesäcke von einer der Truhen und stemmte den Deckel auf. Joshua hob einen Sattel und Zaumzeug heraus.
»Nicht schlecht«, bemerkte er, »die Britische Armee spart nicht am Material.«
Antonia deutete erneut auf die Truhe. Er zog eine Pferdedecke heraus. Als er sah, was darunterlag, pfiff er leise durch die Zähne.
»Sieh an, ein kleines Waffenarsenal!« Nacheinander holte er einen Säbel mit Drapierung, einen Holster mit zwei Pistolen und einer Munitionstasche hervor und breitete alles auf dem Boden aus. »Was soll damit geschehen, Miss Antonia?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte sie nachdenklich, während Joshua die Pistolen sorgsam entlud und zusammen mit dem Säbel in die Truhe zurücklegte. »Fürs Erste bleibt alles hier. Wer käme schon auf die Idee, in unseren Futterkisten nach Waffen zu suchen?«
Als sie auf den Hof hinaustraten, stand die Sonne tief am westlichen Himmel. Antonia setzte sich an die Pferdetränke. Joshua, den Rücken gegen die sonnenwarme Stallmauer gelehnt, betrachtete sie nachdenklich. Er kannte Antonia gut genug, um zu wissen, dass sie sich in ihrer Hilfsbereitschaft für den Soldaten nicht beirren lassen würde. Und genau das bereitete ihm Sorgen. Schlimm genug, dass ihr nach dem Tod des Ehemannes auch der Verlust der Plantage drohte: Nun riskierte sie, in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten wegen dieses Deserteurs oder Kriegsverbrechers.
Dass sich Schwierigkeiten anbahnten, wusste er seit dem Moment, als er den Engländer wiedererkannt hatte. Er würde mit der Indianerin reden, aber er musste allein mit ihr reden. Antonia machte er den Vorschlag, sie solle ins Haus gehen undsich ausruhen, die Sorge um ihren Patienten könne sie vorerst ihm überlassen.
»Kommen Sie, Missy, Sie schlafen ja schon mit offenen Augen!«, rief er, um sie aufzuheitern, im sauertöpfischen Tonfall seiner Mutter, Antonias Nanny Charlene. »Hopp, auf Ihr Zimmer, und ’ne anständige junge Miss läuft nich in Stiefeln übern Hof !«
»Schon gut, Joshua!«, willigte Antonia lachend ein. »Ich werde mich ein wenig hinlegen. Aber ruf mich, bevor Vier Federn geht.«
Im Kutscherhaus legte Joshua gerade Feuerholz nach, als Vier Federn aus dem Krankenzimmer kam. Er nahm die Emailkanne vom Herd, in der frischer Kaffee dampfte, goss ihr eine Tasse davon ein, dann machte er sich wieder an der Feuerstelle zu schaffen. In Gegenwart der Indianerin fühlte er sich befangen. Es hieß, sie verfüge über die spirituellen Fähigkeiten des alten Volkes, dergleichen war ihm nicht geheuer.
»Dieser Soldat nebenan«, begann er grimmig. »Er ist der Engländer, der Captain Lorimer erschossen hat, dieser verfluchte Colonel Spencer!« Aufgebracht warf er den Schürhaken in den Korb mit dem Feuerholz. »Sie müssen ihn doch erkannt haben? Am Snakewater Creek hetzte er seine Reiterschwadron auf uns, als wären wir Schlachtvieh!«
Vier Federn blies in ihren heißen Kaffee und sagte ruhig: »Ich weiß, wer er ist.«
»Er hat Legacy zerstört! Und Sie retten ihm das Leben?«
»Es war Antonias Entscheidung.«
»Sie hätte sich anders entschieden, wenn sie wüsste, wer er ist«, sagte Joshua wütend.
»Antonia hat Mitleid mit ihm. Das ist in Ordnung.«
»Oh nein, es ist nicht in Ordnung, und das wissen Sie!« Er war ungehalten, dass die Indianerin sich nicht besorgter zeigte. »Wir müssen ihr die
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