Die Plantage: Roman (German Edition)
alle Hoffnung verlassen: Der schöne Teufel war gekommen, um seinen Herrn zu töten! Jetzt war es Néné gleichgültig, was mit ihm geschah.
Ronnie und er hatten den Ausgang fast erreicht, als ein Raunen durch den Saal ging. Sie blickten zurück und sahen, wie William und Roscoe sich gegenseitig mit Pistolen bedrohten. Nur noch einen Augenblick, und Néné sähe seine schlimmste Befürchtung wahr werden. Im Unterschied zu Ronnie, der noch überlegte, ob er William helfen sollte, zögerte Néné keine Sekunde. Er duckte sich unter Ronnies schützendem Arm hindurch und lief zurück.
Roscoe hatte den Vorteil, den Saal von oben zu überblicken. Als er Néné vom Eingang her auf William zulaufen sah, zog er mit der Linken die zweite Pistole und zielte damit auf den Jungen …
William hatte damit gerechnet, dass Roscoe sich nicht kampflos ergeben würde, es kümmerte ihn nicht. Zu tödlicher Rache entschlossen, nahm er ihn ins Visier, zählte im Geiste eins, zwei … Plötzlich sah er, dass Roscoe eine zweite Pistole zog …
»Halt, Junge, keinen Schritt weiter!«
Néné blieb wie angewurzelt stehen. Entsetzt starrte er zu Roscoe auf dem Altan, der jetzt auch ihn mit einer Pistole bedrohte.
Roscoe sagte in die Stille: »Sie hätten den Welpen besser erziehen sollen, Spencer. Er ist ein notorischer Ausreißer.«
»Nein, glauben Sie ihm nicht, Mr. Marshall!«, schrie Nénéverzweifelt. »Ich wollte Ihnen nicht weglaufen, bestimmt nicht!«
William hielt die Waffe auf Roscoe gerichtet, doch er spürte, wie ihm das Geschehen entglitt.
»Bitte, Mr. Marshall, ich wäre zu Ihnen zurückgekommen!«, rief Néné und wollte weitergehen.
Aber Roscoe fuhr ihn an: »Rühr dich nicht von der Stelle!«
Auch William sagte scharf: »Bleib stehen, Néné!«
Néné blickte verwirrt von einem zum anderen. Unter dem Altan traten zwei Männer heraus, die geradewegs auf William zugingen.
»Nicht den da!«, rief Roscoe. »Bringt mir den Jungen.«
Bevor Néné recht begriffen hatte, wurde er von den Wächtern auf den Altan geschleppt.
Roscoe steckte eine Pistole ins Holster, packte Néné im Genick, zog ihn nach vorn an die Brüstung und hielt ihm den Lauf der anderen Waffe an die Schläfe. »Ich werde Ihren kleinen Sklaven noch eine Weile behalten«, sagte er zu William. Auf seinem Engelsgesicht zeigte sich ein falsches Lächeln. »Sie wollen sicher nicht, dass ihm etwas passiert? Dann belästigen Sie mich nicht länger, Spencer.«
William ließ die Pistole sinken. »Einverstanden«, sagte er geschlagen. »Nur tun Sie ihm nichts.«
Néné hatte mit klopfendem Herzen zugehört. Das Einzige, was er verstand, war, dass Roscoe ihn behalten würde. Er fing an zu zittern, er wusste, Roscoe würde ihm das Leben zur Hölle machen. Dann sah er zu William, und Tränen liefen über sein Gesicht. Nur bei seinem Herrn war er sicher gewesen, ohne ihn war er verloren. Williams Zuneigung war die einzige, die letzte Gewissheit in seinem Leben. Er schloss die Augen und ließ sich über die Brüstung fallen.
»Néné, nein!«
Williams Schrei hallte im Saal wider, als der Junge auf dem Boden aufschlug. Im nächsten Augenblick kniete William nebenihm nieder, schob einen Arm unter seinen Rücken. Néné blutete am Hinterkopf, sein Gesicht wurde fahl, sodass die dunklen Male der Schläge stärker hervortraten.
»Néné, hörst du mich? Schau mich an! Néné!« William stützte Nénés Kopf, überall war Blut, es quoll hinter seinem Ohr hervor. Er hatte schon zu viele Verwundete gesehen und wusste, es war vergebens; trotzdem riss er sein Halstuch herunter und versuchte, die Blutung zu stillen. Irgendwas musste er doch tun!
Néné öffnete die Augen einen schmalen Spalt, er lächelte matt, als er William erkannte. William wollte ihn halten, Néné sollte noch nicht gehen, er musste ihm noch etwas sagen.
»Du hattest recht, Néné, wir gehören nicht hierher. Wir gehen zurück nach Amerika, ich verspreche es dir.«
»Lega …cy?«
»Oh, ich habe jetzt ein eigenes Haus, wir haben ein neues Zuhause, in den High Hills.«
»Hills …«
»Ich werde dich dorthin bringen, Néné. Wir gehen nach Serenity Heights, nach Hause.«
Néné lächelte, dann schloss er die Augen. Ein Beben lief durch seinen Körper, als er in Williams Armen starb.
»Es tut mir so leid, Néné!«, flüsterte William. »Es tut mir leid, dass ich dich nicht beschützen konnte, und dass ich heute nicht für dich gekämpft habe. Ich habe nur an mich gedacht.« Voll Trauer neigte er
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