Die Plantage: Roman (German Edition)
»Ich komme gleich nach.« Während Earnshaw schnell davonging, nahm Roscoe sich Zeit, um seine Gäste zu beobachten. »Wollen doch mal sehen, wer alles glaubt, eingeladen zu sein.«
Durch das Stimmengewirr und die Musik schallte Gelächter herauf. Belustigt sah er zu, wie seine Diener ein paar Betrunkene davon abhalten wollten, auf die eisernen Deckenleuchter zu klettern. Die Leute schienen sich prächtig zu amüsieren, auch das Gelage fand großen Anklang. Auf den Polstern vor dem Kamin räkelten sich wonnetrunkene Paare. Wie es aussah, schien der junge Sklave da unten seine Sache gut zu machen. Roscoe nickte zufrieden, die Party war ein Erfolg.
Ronnie und die kleine Schauspielerin waren sich nähergekommen. William war es nur recht, denn nun konnte er sich getrost alleine auf die Suche nach Néné machen. Er trank Ronnie einvernehmlich zu, als das Mädchen etwas entdeckt hatte.
»Seht nur den kleinen Mohren!« Sie zeigte begeistert zu dem Gelage beim Kamin. »Ist das originell!«
William wandte sich um und erfasste die Situation mit einem Blick: Néné kniete am Boden und reichte einem Paar von einem Tablett Konfekt. Die Frau biss die Süßigkeit in zwei Hälften, eine Hälfte gab sie ihrem Galan in einem Kuss;die andere schob sie Néné in den Mund, der angewidert das Gesicht verzog. Angewidert? William bemerkte dunkle Male auf Nénés hellbrauner Haut, Blutergüsse. Der Junge war geschlagen worden, er hatte Schmerzen!
William sprang auf. Doch Ronnie hatte ihn schon beim Arm gefasst.
»Warten Sie, Marshall!«
»Ronnie, der Junge dort ist Néné!«
»Das ist mir schon klar«, sagte Ronnie halblaut. »Sie dürfen jetzt nur nichts überstürzen. Lassen Sie uns überlegen …«
Aber William machte sich heftig los, mit wenigen Schritten war er beim Kamin und trat zwischen die Ruhebetten. Er schmetterte das Tablett mit dem Konfekt zu Boden, stieß die Frau zurück, die Néné wieder eine Süßigkeit in den Mund stecken wollte. Ohne ihr Gezeter zu beachten, zog er Néné fort und führte ihn zu einer Bank am Sockel des Höllenkamins. »Setz dich, Néné, und sag mir, was passiert ist. Wer hat dich so zugerichtet?«
»Sir, ich wollte zurückkommen, aber der Master hat mich eingesperrt. Er schlägt mich und sagt, er ist jetzt mein Herr!«
»Beruhige dich, Néné. Schau, ich bin gekommen, um dich von hier wegzubringen.«
»Aber ich kann nicht mitkommen, Sir. Das geht jetzt nicht mehr.« Néné schlug die Augen nieder. »Bitte, Sir, es ist besser, Sie gehen wieder. Sie dürfen nicht hierbleiben!« Néné drehte den Kopf weg, um seinem Blick auszuweichen.
William bemerkte seine ungewohnte Scheu. Ein böser Verdacht zog ihm den Magen zusammen. »Was hat er dir getan?«
»Mr. Roscoe hat mich geschlagen!«
»Das habe ich nicht gemeint.«
Jetzt sah Néné erschrocken auf. »Sir, ich wollte das nicht, er hat mich gezwungen«, flüsterte er.
William atmete tief durch. »Du kannst nichts dafür, Néné.Und glaub mir, du bist noch immer derselbe Junge. Keine Angst, es wird wieder gut, Néné.«
Ronnie war gekommen. Bekümmert sah er, wie der Junge in dem dünnen Kostüm zitterte. »Wir sollten jetzt gehen«, sagte er zu William. »Sie haben Ihren Diener gefunden, nun brauchen wir Mr. Roscoe nicht mehr zu bemühen.«
»Ihn nicht bemühen, sagen Sie?« William trat nah an ihn heran, damit Néné ihn nicht hörte: »Sehen Sie, was dieser Hund dem armen Jungen angetan hat? Er hat ihn misshandelt, missbraucht und lässt ihn von diesem Pack auch noch demütigen.« Wütend drohte er mit dem Stock gegen das Gelage vor dem Kamin.
»Wir sollten trotzdem gehen«, drängte Ronnie. »Bringen Sie den Jungen von hier weg, das ist das Beste, was Sie für ihn tun können.«
Aber William hörte nicht zu. Ronnie spürte, dass ein gefährlicher Ingrimm, der mit dem Unglück des Jungen nichts zu tun hatte, sich Williams bemächtigte, und es beschlich ihn ein ungutes Gefühl.
»Hören Sie, Marshall«, sagte er besorgt, »ich weiß nicht, was zwischen Ihnen und Roscoe vorgefallen ist …«
»Was wissen Sie überhaupt, Mr. York?«, fuhr William ihn an. »Was wissen Sie von Männern wie Roscoe, denen es Vergnügen bereitet, Menschen zu quälen?« Dann, mühsam beherrscht: »Tut mir leid, Ronnie, ich wollte nicht so mit Ihnen sprechen. Wieso muss ich mich ständig bei Ihnen entschuldigen!«
»Ist schon gut.« Ronnie versuchte ein Lächeln. »Also dann, gehen wir. Komm mit, Junge.«
Néné war aufgestanden, um mit ihnen hinauszugehen,
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