Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
Vom Netzwerk:
den Kopf.
    Nicht viele im Saal verstanden, was passiert war, und die es gesehen hatten, wollten es vergessen. Sie strebten fort von der Unglücksstelle, während Ronnie diesen Gleichgültigen entgegenlief. Dort, wo der Junge niedergestürzt war, hielt William den leblosen Körper in den Armen. Ronnie berührte ihn an der Schulter.
    »Mr. Marshall, diese Leute hier … Wir sollten nicht länger bleiben.«
    Abwesend sah William auf.
    »Lassen Sie mich Ihnen helfen, Sir. Ich werde ihn zum Wagen bringen.«
    William nickte, und Ronnie nahm ihm den Jungen aus den Armen, hob ihn hoch und wandte sich zum Gehen. Schwer auf seinen Stock gestützt, stand William auf. Er bückte sich noch einmal nach der Pistole, die am Rande der Blutlache lag, sicherte die Waffe und steckte sie ins Holster. Die Leute wichen zurück, als er Ronnie mit dem toten Jungen zum Ausgang folgte.
    Der Burghof lag wie eine leere Kulisse im grauen Licht zwischen Nacht und Morgen. Ein älterer Lakai kam ihnen nach, brachte ihre Garderoben und eine wollene Decke für den schmalen Körper auf Ronnies Armen. William nickte stumm zum Dank. Ronnie legte den toten Knaben in den Wagen und deckte ihn sorgfältig zu. Als er auf die Kutschbank steigen wollte, bemerkte er, dass William zurückblickte.
    »Möchten Sie nicht einsteigen, Sir?«
    »Nein, ich bleibe. Geben Sie mir die Pistole, Mr. York.«
    »Wie?«
    »Ich sagte, geben Sie mir die andere Pistole.«
    »Sind Sie wahnsinnig?« Ronnie packte William rau am Ärmel. »Mann, Sie könnten jetzt da drinliegen, ist Ihnen das nicht klar? Nur weil der arme Junge dumm genug war, sich für Sie zu opfern …«
    »Roscoe hatte ihn in seiner Gewalt, was hätte ich denn machen sollen?«, rief William. »Er hat Néné auf dem Gewissen! Er hat den armen Jungen in den Tod getrieben. Das werde ich nicht so hingehen lassen.«
    »Haben Sie denn überhaupt nicht zugehört? Roscoe hat vor allen Leuten gesagt, der Junge sei ein entlaufener Sklave. Er wird behaupten, Néné wollte lieber sterben als weiter Ihr Sklave zu sein, und die Leute im Saal werden das bestätigen. Roscoe ist zu weit gegangen, ganz klar. Aber im Prinzip haben Sie kaum etwas gegen ihn in der Hand.«
    William nickte. Was Ronnie sagte, war vernünftig, doch erwusste, was er zu tun hatte. »Ich werde jetzt da hineingehen, mein Freund, und Sie werden mich nicht daran hindern, verstanden? Also geben Sie mir die Pistole, es könnte sein, dass ich sie brauche.«
    Er würde keinen Widerspruch dulden, das hatte Ronnie begriffen. »Na gut«, sagte er entschlossen, »ich weiß zwar nicht, warum ich das tue, aber ich werde Sie begleiten, Marshall. Und die Pistole behalte ich.«
    William klopfte ihm auf die Schulter, dann gingen sie gemeinsam zurück in die nachtdunkle Burg.
    Die Atmosphäre in der Kanzlei war gespannt. Earnshaw redete seinen Untergebenen Blackburn und Reading begütigend zu, nachdem sie auf dem Weg zur Kanzlei eine makabre Szene beobachtet hatten: Roscoe und ein unbekannter Mann hatten sich vor aller Augen mit Pistolen bedroht; offenbar ging der Streit um einen schwarzen Sklaven, der dann zu Tode gekommen war. Die beiden Offiziere hatten Earnshaw gerade berichtet, was passiert war, als Roscoe mit wehenden Rockschößen hereinkam und sich in seinen Sessel hinter dem Schreibtisch warf.
    »Würden Sie die Güte haben, sich zu setzen, Gentlemen, damit wir die Angelegenheit abschließen können.« Ohne den Vorfall im Saal zu erwähnen, schlug er mit einem Seufzer überstrapazierter Geduld den Folioblock auf. »Ich habe Major Earnshaw bereits auf fehlerhafte Angaben zu den vereinbarten Posten hingewiesen, kurz gesagt: Wenn die Lieferung tatsächlich der Aufstellung in diesem Bericht entspricht, kommen wir nicht ins Geschäft.«
    »Augenblick, Mr. Roscoe, wir können die Sache nicht mehr stoppen«, erwiderte Blackburn. »Die Lieferung ist bereits unterwegs. Damit haben wir unseren Part erfüllt.«
    »Irrtum, Mr. Blackburn, ich bezahle nur, was ich bestellt habe.«
    Earnshaw sog scharf den Atem ein, Reading und Blackburn sahen sich verunsichert an.
    »Wie stellen Sie sich das vor?«, fragte Reading. »Was sollten wir denn jetzt damit anfangen?«
    »Sie meinen, was Sie mit zwölfhundert Brown-Bess-Infanteriegewehren der Long-Land-Baureihe tun, die wie durch Zauberei irgendwoher auftauchen, obwohl sie in keinem Bestandsprotokoll des Arsenals fehlen?« Roscoe lächelte intrigant. »Vielleicht wüsste ich einen Abnehmer für die zwölfhundert Gewehre, allerdings würde

Weitere Kostenlose Bücher