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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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dem gemeinsamen Bad im Meer zog er den Jungen ansich, stammelte Liebesworte, versuchte, ihn zu küssen. Miguel wollte sich ihm entziehen. Doch de Soto war ein kräftiger Mann, er hielt den Jungen fest, öffnete seine Schenkel und streichelte sein Geschlecht. Miguel war vor Schreck und Scham wie gelähmt. Er weinte, aber er wehrte sich nicht, als de Soto ihn auf Hände und Knie niederdrückte und seinen Körper in Besitz nahm.
    Isabella sah seine Not nicht oder wollte sie nicht sehen, bedenkenlos überließ sie ihn de Soto für seine täglichen Ausfahrten. Miguel wusste nicht, wie er sich des Mannes erwehren sollte, der ihn bei jeder Gelegenheit seiner Leidenschaft unterwarf. Unfähig, sich mitzuteilen – mit wem hätte er auch reden können? –, wählte er eine kindliche Ausflucht und wurde krank. Matt lag er danieder, konnte unmöglich aufstehen oder gar das Haus verlassen. De Soto zeigte sich besorgt und wollte den Patienten besuchen. Aber Miguel mochte niemanden sehen.
    Obwohl der Arzt keine Krankheitssymptome feststellen konnte, machte sich Isabella große Sorgen. Sie redete sich ein, ihr Sohn leide an einer unbekannten, womöglich lebensgefährlichen Erkrankung, und saß seufzend an seinem Bett. Als Miguel sah, wie seine geliebte Mamá seinetwegen litt, konnte er nicht mehr guten Gewissens an seiner Ausflucht festhalten und wurde gesund. Als de Soto ihn wieder zum Strand mitnehmen wollte, drängte Isabella: »Sei ein lieber Junge, Miguel, mach Don Alfonso doch die Freude!« Miguel war ein lieber Junge, er machte ihm die Freude.
    Inzwischen vergötterte de Soto den schönen Knaben. Großzügig versuchte er, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen, führte ihn aus und brachte ihm täglich Geschenke. Aber Miguel hatte um de Sotos Zuwendung nie gebeten. Was dieser Mann ihm über lange Zeit antat, zerstörte seine Selbstachtung und schuf Empfindungen, unter denen er verzweifelt litt: Er wurde missbraucht, und die Welt ließ es zu.
    Indem er das begriffen hatte, begann sich das Verhältnis zu seinen Mitmenschen von Grund auf zu verändern. Hatte er sich als elfjähriger Junge geschämt und erniedrigt gefühlt, minderwertig selbst in den Augen de Sotos, der doch behauptete, ihn zu lieben, so entwickelte er als Heranwachsender die Vorstellung, dass nach aller erduldeten Demütigung in Zukunft er derjenige sein werde, der demütigen und missbrauchen durfte, wen immer er dazu ausersehen würde. Diese Vorstellung durchdrang sein ganzes Wesen und äußerte sich schließlich in einem auffällig aggressiven Verhalten. Miguel wurde gemein, rücksichtslos, brutal; wer ihm nahekam, dem erging es schlecht. Er verfolgte kein bestimmtes Ziel, aber er tat, was er tun musste, um jeden, der sich mit ihm einließ, seiner Willkür zu unterwerfen; nur das konnte ihn befriedigen. Später, als erwachsener Mann, sollte er seinen ahnungslosen Opfern schmerzhaft klarmachen, wie unbarmherzig Miguel de Ruizco sein konnte.
    Bei allem Unglück bewahrte ihn die Begegnung mit de Soto zumindest vor der fortschreitenden intellektuellen Verwahrlosung. Als Don Alfonso bei einem Besuch auf Soledad einen Eindruck von Miguels geistlosem Alltag bekam, konnte er sein Entsetzen kaum verbergen. Unverzüglich engagierte er auf eigene Kosten einen Hauslehrer, der dreimal die Woche zur Plantage hinausfuhr und mit Engelsgeduld versuchte, die versäumte Schulbildung teilweise wettzumachen. Miguel war jedoch schwierig und sperrte sich gegen alle Lerninhalte, die nicht spontan sein Interesse weckten. Der Lehrer bemerkte allerdings eine gewisse arithmetische Begabung seines Schülers, eine Vorliebe für Zahlenspiele. Der Grund dafür lag auf der Hand: Miguel hatte das Geld entdeckt! Er entwickelte ein scharfes Gespür dafür, dass alles im Leben seinen Preis hatte, auch seine eigene Person.
    Unnötig zu erwähnen, dass Miguel, kaum dass er die Zusammenhänge verstanden hatte, de Soto teuer bezahlen ließ für die Willfährigkeit, die er ihm abverlangte. Miguel verband seineForderungen nicht mit Anschuldigungen oder gar Drohungen, vielmehr erlaubte er Don Alfonso, sich als sein Gönner zu betrachten, wobei über Art und Umfang dessen, was gegönnt wurde, selbstverständlich Miguel nach Gutdünken entschied.
    Nachdem sich Miguels kindliche Züge verloren, hörte de Soto auf, ihn zu bedrängen. Nie sprachen sie über das, was geschehen war. Mit der Zeit, als Miguel fälschlich annahm, den nötigen Abstand gefunden zu haben, pflegte er mit Don Alfonso einen

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