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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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wollte sie ihm angemessen gegenübertreten. Darum machte sie sich etwas zurecht, flocht ihr Haar neu, strich Rock und Bluse glatt, zog die Kostümjacke wieder an und fuhr in ihre halbhohen Stiefel. Gleich fühlte sie sich respektabler. Vor allem wollte sie das trübe Mondlicht vertreiben. Auf dem Frisiertisch stand eine Petroleumlampe, aber sie sah sich vergeblich nach einer Feuerzeugbüchse um. Als es klopfte, rief sie: »Sie können hereinkommen, ich bin jetzt auf.«
    Sie hatte Reed erwartet, doch sein Diener Castor betrat das Zimmer. Der Schwarze verneigte sich, ging durch den Raum und entzündete die Petroleumlampe und die Nachtlichter auf dem Kaminsims.
    Er verneigte sich wieder. »Kann ich noch etwas für Sie tun, Maam?«
    »Danke, wenn ich nur nicht im Dunkeln sitzen muss!«
    Castor überging die Ironie und sagte: »Maas’a Reed hat mir aufgetragen, für Ihre Bequemlichkeit zu sorgen, Maam.«
    »Du meinst, er hat dir aufgetragen, mich zu ihm in den Salon zu begleiten?« Weil Castor nicht antwortete, sagte sie: »Er ist doch unten im Salon, oder?«
    Castor überhörte ihre Frage. »Kann ich Ihnen Erfrischungen bringen, Maam?«
    »Schluss damit! Du führst mich augenblicklich zu deinem Herrn.«
    »Maas’a Reed ist fortgeritten, Maam.«
    »Fortgeritten, wieso? Wohin? Hat er wenigstens hinterlassen, wann er zurückkommt?«
    Castor ließ sich von ihrer Verärgerung nicht aus dem Konzept bringen. »Maam, wenn Sie mich nicht mehr brauchen, würde ich in die Halle hinuntergehen.«
    Obwohl seine stoische Art sie verstimmte, musste Antonia seine Ergebenheit bewundern. Sie erinnerte sich, was Charleneerzählt hatte; während andere Pflanzer die Voodoo-Anhänger mieden, holte Reed sie ganz gezielt auf seine Plantage. Dafür musste es einen Grund geben. Bevor sie Castor entließ, fragte sie beiläufig: »Was für ein Tag ist heute?«
    »Heute ist Freitag, Maam.«
    »Freitag!« Sie nickte wissend. »Dann ist Mr. Reed vielleicht zu eurem Versammlungsort am Ashley River geritten. Nimmt er an euren dunklen Ritualen teil?«
    Er zuckte nicht mit der Wimper, die Anspielung verfing bei ihm nicht. Dann sagte er: »Es gibt dunklere Mächte, als Sie und ich uns vorstellen können.«
    »Dunklere Mächte?«
    »Gute Nacht, Maam.« Er verneigte sich. »Ich werde in der Halle wachen.«
    Die erste Dämmerung weckte sie aus traumlosem Schlaf. Die Zudecke um die Schultern gelegt, ging sie ans offene Fenster. Vor ihr lag die Flusslandschaft in fahlem Dunst. Die nächtliche Flut strömte zum Meer zurück und legte die Uferbänke frei, es roch brackig nach Fäulnis und Zerfall. In einiger Entfernung zwischen den Steineichen am Flussufer bemerkte sie eine Bewegung, ein Mann auf einem Pferd, der aus nordwestlicher Richtung kam und rasch auf dem Damm näher ritt. Der Reiter trieb das Pferd schonungslos an, bis es in schwerfälligem Galopp auf den Hofweg einbog. Vor den Stallungen fiel der Mann aus dem Sattel. Mit Mühe stand er wieder auf, ließ das abgeschlagene Tier am Hoftor stehen und kam gebeugten Ganges durch den Garten herauf.
    Sie hätte Reed fast nicht erkannt. Der ansteigende Weg bereitete ihm sichtlich Schwierigkeiten, er stolperte, fing sich halbwegs und schleppte sich unsicher wie ein Trunkener zu seinem Haus. Als er die Treppe zur Terrasse herauftappte, bemerkte sie an seinen Händen Blut, auch in seinem bleichen Gesicht sah sie Spuren geronnenen Blutes. Womöglich war erunterwegs gestürzt oder gar angegriffen worden! Sie erwog, nach Castor zu rufen oder selber hinunterzulaufen und ihre Hilfe anzubieten, als Reed unterhalb ihres Fensters an die Brüstung trat und abwartend nach dem Uferdamm zurückblickte. Achtlos streifte er die blutigen Handflächen an den Rockschößen ab. Dann trat er in den Säulenumgang und war Antonias Gesichtsfeld entzogen.
    Sie sah weiter auf die Stelle, wo er zuvor gestanden hatte, die nachlässige Geste vor Augen, mit der er das Blut von den Händen gewischt hatte. Etwas sagte ihr, dass es nicht sein eigenes war. Beim Geräusch von Schritten aus der Halle fuhr sie herum, tastete sich fahrig durchs Halbdunkel zum Bett zurück. Von unbestimmter Furcht erfasst, kauerte sie sich unter der Decke zusammen. Die Schritte erreichten die Galerie, hielten vor der Tür; vom Fenster kam ein Luftzug, als sie lautlos aufschwang.
    Antonia lag ganz still, ihr Puls raste. Sie merkte, dass er ans Bett herantrat, seine Hand berührte ihr Haar. Mit geschlossenen Augen erschauerte sie beim Gedanken an das Blut, während

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