Die Plantage: Roman (German Edition)
Befehl, dem er sich nicht widersetzen würde.
Doch es blieb still. Was sollte er jetzt tun? Oben in dem Zimmer lag Antonia und schlief … Er verließ den Salon, ging hinauf. Die Türe war angelehnt, er hörte ihre regelmäßigen Atemzüge und trat leise ein. Der Raum lag in trübem Zwielicht. Er öffnete die Vorhänge, ließ das Abendlicht herein. Antonia hatte im Schlaf die Decke beiseitegeschoben. Er setzte sich zu ihr ans Bett, um sie zu betrachten. Sie wirkte auf ihn anziehend, ohne dass er sie im klassischen Sinne schön fand. Ihre Nase war zu gerade, die hohen Wangenknochen und dunklen Brauen gaben ihr etwas Ungezähmtes. Der besondere Reiz lag für ihn in ihrem mädchenhaften Wesen. Wie sie sich bewegte, wie sie beim Lächeln leicht das Kinn hob, oder die unbewusste Geste, mit der sie den Kopf kurz senkte und ihr Haar im Nacken zusammenfasste – darin lag ein verführerischer Zauber, den er bei anderen Frauen nicht verspürte.
Nun betrachtete er sie ratlos. Bessie sagte, Antonia sei schwanger. Die Schwarze kannte sich in diesen Dingen aus. Offensichtlich hielt sie ihn für den Vater des Kindes, morgen wusste es jeder auf der Plantage. Es gab Schlimmeres, soweit es ihn betraf. Aber was war mit Antonia? Wenn es bekannt wurde, würdendie Leute natürlich mutmaßen … Abrupt stand er auf. Für ihn gab es nichts zu mutmaßen, er hatte genug über die Verhältnisse auf Legacy gehört, über Antonia und ihren Verwalter Marshall. Der Mann musste der Vater des Kindes sein. Und wer war dieser Marshall, der plötzlich hier auftauchte und die Lorimer-Plantage mit militärischer Disziplin instand setzte? Wer, wenn nicht dieser Engländer, Spencer! Davenport hatte ihn erkannt, das hatte Reed nie bezweifelt. Dabei war Spencer so gut wie tot gewesen, als er ihn zurückließ.
Viele Menschen hatte er in geistiger Umnachtung getötet. Aber bei Spencer war es anders. Reed hatte gewusst, was er tat, als er ihn folterte. Um den Engländer leiden zu lassen, hatte er sich bewusst seiner dunklen Wesenshälfte unterworfen. Das hatte er davor noch nie getan. Erstmals hatte er gespürt, wie die mörderische Besessenheit von ihm Besitz ergriff und ihm schließlich die Hand führte. Der Engländer erduldete Fürchterliches, keine Ohnmacht erlöste ihn von seiner Qual. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurde Reed klar, dass Spencers Wille zu stark war; dass er trotz Schmerz und Verzweiflung nicht aufgeben würde wie die anderen, die unter seinen Händen gestorben waren. Da brachte er es nicht mehr über sich, ihm die Kehle durchzuschneiden wie einem Tier. Nein, Spencers Leiden war zu grandios, um es zu beenden. Um dieses einzigartige Erlebnis mit ihm zu teilen, schloss Reed ihn in die Arme; er wollte ihm ganz nah sein und spüren, wie sein starkes Herz immer weiter schlug. Wie erregend war es, ihn zu halten, im Gleichtakt ihrer Herzen vereint zu sein! Danach hätte er ihn töten sollen. Doch er ließ ihn am Leben … Und Spencer hatte nichts Besseres zu tun, als zurückzukommen und ihm Antonia wegzunehmen. War das der Dank?
Aber er wollte nicht mehr an Spencer denken. Hier war Antonia, seine Liebste, endlich war sie bei ihm! So vertrauensvoll war sie in sein Haus gekommen, so ruhig lag sie hier und schlief. Jetzt gehörte sie ihm. Vorsichtig, um sie nicht zuwecken, legte er sich zu ihr. Er fasste sie nicht an, vermied jede Berührung, doch er ließ es geschehen, dass ihr Haar seine Wange streifte. Als sie sich später im Schlaf umwandte, ruhte ihr Arm mit leichtem Druck an seiner Seite. So lag er neben ihr, wachte, träumte.
Die Nacht kam und die Dunkelheit, sie rissen ihn aus dem trügerischen Frieden. Er setzte sich auf und erblickte Antonia, die tief und ruhig schlief. Sacht legte er eine Hand um ihre Kehle. Als er das stete Pochen unter der Haut fühlte, sog er scharf den Atem ein. Schnell ließ er sie los, stand auf und zog sich zurück bis zur Tür. Doch er konnte nicht fort, er musste hin zu ihr und wieder die Hand um ihren Hals legen, auch die andere Hand, um das zarte Pochen zu fühlen. Wie weiß ihre Haut war, ihr Gesicht, ihre Brust, die Arme und Hände, so weiß! Und wie hilflos sie war! Während er sie betrachtete, veränderte sich sein Gesichtsausdruck in unheilvoller Weise.
Etwas hatte sie geweckt, sie schlug die Augen auf und sah, über sich gebeugt, eine reglose Gestalt. Sie erkannte Reed vor dem dunklen Hintergrund des Zimmers, er war näher, als es schicklich sein konnte. Vom Schlaf benommen, nahm sie den Druck um
Weitere Kostenlose Bücher