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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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dem Karren. Auf der Pritsche lag unter einer Plane etwas von der Form eines menschlichen Körpers. Crossbow nickte dem Aufseher kurz zu, der daraufhin die Plane beiseitezog. Die Schwarzen wichen ein Stück zurück, auch Hocksley machte unwillkürlich einen Schritt rückwärts. Auf dem Wagen lag der Leichnam einer Frau, bis zur Hüfte entblößt und von Schnittwunden bedeckt, sodass die Haut sich vom Hals bis zur Leiste in Streifen ablöste. Schon setzten sich Fliegen auf die bläulich verfärbten Wunden. Auf einen Wink von Crossbow deckte der Aufseher die Tote wieder zu und folgte den beiden Pflanzern auf die Veranda.
    Crossbow ließ sich schwer in seinen Sessel fallen, Hocksley nahm sich einen neuen Drink. Dem Aufseher boten sie keinen Sitzplatz an. Erschöpft lehnte er an einem Stützpfeiler des Vordachs. Er war jung, Mitte zwanzig, kränkliche rote Flecken zeichneten seine eingefallenen Wangen.
    »Wer ist die Tote, Javis?«, fragte Crossbow.
    Der Aufseher hob kaum den Blick und stierte mit fiebertrüben Augen vor sich hin.
    »Ich hab Sie was gefragt, Mann!«, rief Crossbow barsch. »Wissen Sie, wer die Frau ist?«
    »J-ja, Sir. Sie heißt Prudence. Prudence Fraser, eins der Mädchen aus dem Mad Stallion.«
    »Eine Hure, na ja. Wie ist das passiert, ein Unfall?«
    »Wohl kaum, Sir. Ich meine, sehen Sie sie doch an!«
    Javis schwankte, er musste sich am Geländer festhalten, um nicht umzusinken. Das Fieber hatte ihn geschwächt, nun noch die Sache mit der Toten, das war zu viel für ihn.
    Hocksley bemerkte, dass der Mann am Ende war, ging hin und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Reißen Sie sich zusammen, Javis«, sagte er ruhig. »Erzählen Sie mal: Wo genau haben die Schwarzen die Leiche gefunden?«
    »Am Stauwehr von Lennox Flow, Sir. Die Leute haben die Schlingpflanzen aus dem Abzugsgraben geharkt und sie dabei rausgezogen.«
    »Tja, das ist eine scheußliche Sache«, sagte Hocksley nüchtern. »Was glauben Sie, seit wann ist sie tot?«
    »Noch nicht lange, höchstens einen Tag.«
    »Wieso nicht länger?«
    »Na ja, Arme und Beine waren noch ganz starr, als wir sie auf den Karren legten. Bei diesen Temperaturen löst sich die Totenstarre spätestens nach einem Tag.«
    »Sie kennen sich aus, Javis!«
    »Ich musste im Krieg viele Tote begraben, Sir.«
    »Verstehe. Und die bläuliche Verfärbung?«
    »Nun, die Leiche hat im Wasser gelegen.«
    Hocksley sagte nachdenklich: »Gestern also. Freitagnacht.« Er überlegte. »Könnte es ein Tier gewesen sein?«
    »Nein, Sir, das war kein Tier, aber … so was hat’s schon mal gegeben.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Vor zwei Jahren ungefähr zogen sie eine Tote aus dem Cooper River, die auch so zugerichtet war.«
    »Sie meinen das Mädchen, das man bei den Landungsbrücken fand?«
    »Ja, Sir. Es hieß, sie hatte ein akkurates Muster aus lauter Schnitten in der Haut.«
    »Das stimmt, ich habe in der ›Gazette‹ darüber gelesen«, sagte Hocksley mit gerunzelter Stirn. »Von der Sache hat man nie mehr gehört.«
    »Dann werde ich jetzt den Sheriff informieren«, meinte Crossbow und stand auf.
    »Aber lassen Sie uns zuvor das, was der Aufseher gesagt hat, schriftlich festhalten«, sagte Hocksley und ging mit ihm hinein.
    Javis lehnte am Geländer, kalter Schweiß rann ihm über das Gesicht, hinter den Schläfen pochte sein malariaverseuchtes Blut. Unter halb geschlossenen Lidern blickte er zu dem Karren hinüber, der verlassen in der Sonne stand. »Prudence, armes Mädel«, murmelte er im Fiebernebel. »Jetzt hat dich der Erlkönig geholt.«
    Antonia blieb länger in Lyndon Hall. Sie suchte keine Unterhaltung, sondern verbrachte die meiste Zeit für sich, schlief lange, verträumte oft den halben Nachmittag. Sie schonte sich, auch wenn keine Wehen mehr aufgetreten waren, nur um sicherzugehen, dass ihr Körper sich vollständig erholte. Natürlich versuchte sie auch, Abstand zu gewinnen. Sie wollte vergessen, was sie auf Hollow Park erlebt hatte; vor allem wollte sie mit niemandem darüber reden.
    Für ihre Schwester hatte sie sich ein paar Worte zu ihrem Besuch auf Reeds Plantage zurechtgelegt. Dabei musste sie auf der Hut sein vor Lydias Spürsinn und ihrem notorischen Hang zu Intrigen.
    »Ich war in großer Sorge wegen deines plötzlichen Unwohlseins«, sagte Lydia eines Nachmittags bei einer Tasse Tee. »Ich hoffe, man hat auf Hollow Park gut für dich gesorgt?«
    »Aber ja, ich hatte dort alles, was ich brauchte. Mir ging es bald wieder gut, ich war

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