Die Plantage: Roman (German Edition)
über ihm die Rachedrohung des mächtigen Stammesoberhauptes.
Durch den Ankauf von Sklaven aus Hispaniola verbreitete sich der unheimliche Voodoo-Kult aus der Karibik im Laufe der Jahre in den südlichen Provinzen Amerikas. Auch die Sklaven von Beau Séjour wurden in erster Linie nach SouthCarolina verkauft. Das hatte Hocksley nicht gestört, solange keine Familienmitglieder der Mougadous nach Prospero Hill oder in seinen näheren Wirkungsbereich gelangten. Jahrelang hatten die Anhänger des Kultes auf den Plantagen stillgehalten und sich aus Angst vor Repressalien geduckt. Doch neuerdings funktionierte der Mechanismus der Abschreckung nicht mehr so zuverlässig wie früher. Die Schwarzen wurden aufsässig. Die Abstrafungen im Work House riefen bei ihnen nicht mehr jene passive Verzweiflung hervor wie früher, vielmehr führten sie zu einem unterschwelligen Murren.
Hocksley wusste, wer dafür verantwortlich war. Antonias früherer Stallmeister Joshua Robert, ein Freigelassener, war nach seinem Aufstieg zum Verwalter von Legacy unter den Schwarzen im weiten Umkreis zu einigem Einfluss gelangt. Das Prestige seiner Stellung ermöglichte es ihm, eine Sklavin freizukaufen und zur Frau zu nehmen, Rovena-la-Sorcière, die Schwester von Monsieur Raoul, auch sie eine berüchtigte Zauberin des Kults. Durch dieses Vorbild – ein freier Schwarzer, der die Voodoo-Priesterin befreite – entstand in den Sklavendörfern ein neues Gefühl von Furchtlosigkeit. Das Selbstbewusstsein der Schwarzen wuchs und ermutigte sie, gegen die bestehende soziale Ordnung aufzubegehren. Hocksley griff wie andere Sklavenhalter zu drastischen Bestrafungen, doch verblüffenderweise verstärkte das den Ungehorsam. Wenn er seine Arbeiter nicht dadurch verlieren wollte, dass er sie zu Krüppeln prügeln ließ, musste er das Übel an der Wurzel packen: Er musste das unselige Bündnis der Voodoo-Hexe mit dem selbstherrlichen Bastard seines Schwiegervaters Robert Bell zerschlagen.
Aus diesem Grund wollte er Reed heute ins Gebet nehmen. Hunderte von Sklaven, in vielen Dörfern über das Gebiet von Hollow Park verstreut, stellten ein bedenkliches Potenzial für den aufkommenden Widerstand dar. Mit seinem Laisser-faire, Laisser-aller könnte Reed der gesamten Pflanzergemeinschaft schaden; das musste Hocksley ihm klarmachen. Der Stono-Aufstandin den Vierzigerjahren hatte genau so begonnen. Auf eine zweite Revolte dieser Art durfte man es nicht ankommen lassen.
Als Reed wieder ins Speisezimmer kam, hatte Hocksley sich bereits niedergelassen und ließ sich von den Hausdienern in reichlicher Menge Koteletts mit Eiern und Speck vorlegen. Nachdem er mit gutem Appetit sein zweites Frühstück verzehrt hatte, lehnte er sich zurück und kam auf den Grund seines Besuchs zu sprechen.
»Wie ich höre, Reed, kaufen Sie Sklaven von Beau Séjour? Das ist sehr lobenswert! Wir müssen die alten Besitzungen in der Karibik unterstützen, damit sie beim Vormarsch der Franzosen und Holländer nicht zu sehr an Boden verlieren.« Er pflückte ein paar Trauben von der Obstschale und warf sie sich in den Mund. »Allerdings sind Sklaven aus Saint-Domingue nicht unproblematisch. Sie hängen einer eigentümlichen Ausprägung des Voodoo-Kultes an und lassen sich nur schwer kontrollieren. Glauben Sie mir, wenn Aufstände zu befürchten sind, dann von den Hispaniola-Schwarzen. Bestimmt ist Ihnen aufgefallen, dass Ihre Sklaven von Beau Séjour recht unzugänglich sind.«
Reed, der ihm unbewegt zugehört hatte, ließ eine ganze Weile verstreichen, bevor er antwortete: »Die Organisation meiner Pflanzungen liegt in den Händen erfahrener Verwalter, einer davon, auf Ihre Empfehlung, ist Mr. Crossbow. Als Sklavenhändler kennt er die Verhältnisse auf Saint-Domingue besser als wir. Er sollte beurteilen können, ob die Schwarzen, die er mir liefert, sich in die Abläufe meiner Plantage fügen. Im Übrigen hatten wir mit den Sklaven von Beau Séjour noch nie Probleme. Ich finde nicht, dass sie besonders unzugänglich sind, wie Sie behaupten. Mein Diener Castor zum Beispiel könnte mir nicht treuer ergeben sein.«
Hocksley musterte missfällig den hageren Schwarzen, der hinter seinem Herrn stand. Er erkannte einen Mougadou,wenn er ihn sah. Castor hatte sofort seinen Argwohn erregt. »Sie sollten nicht zu vertrauensvoll sein, Reed. Ich rate Ihnen, Widersetzlichkeiten sofort und ohne Milde zu bestrafen.«
»Widersetzlichkeiten? Wie ich schon sagte, habe ich nichts dergleichen feststellen
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