Die Plantage: Roman (German Edition)
wir Gordon’s Hunting nennen? Was hielten Sie davon, die Pflanzterrassen samt der Anlage für die Indigoterie, sagen wir, fünf Jahre auf eigene Rechnung zu bewirtschaften? Im Gegenzug schicken Sie mir Ihre Bauleute, damit ich mein Haus wieder bewohnbar machen kann.«
»Na endlich!«, rief Shaughnessey. »Es wurde auch Zeit, dass Sie die Dinge wieder selbst in die Hand nehmen! Das Angebot Ihrer Indigopflanzung klingt interessant, ich werde darüber nachdenken. Mit der Reparatur Ihres Hauses dürfen wir dagegen keine Zeit verlieren.«
Er war nicht davon abzubringen, sofort mit seinem Vormann zu sprechen. Antonia sollte die Heimfahrt noch etwas aufschieben, bis er ihr sagen konnte, wann die Bauarbeiten begannen. So ging sie im Schatten der Vorhalle auf und ab, und während sie wartete, dachte sie an Marshall. Sie machte sich Sorgen. Gestern, nach ihrer Auseinandersetzung, war er in keiner guten Verfassung gewesen. Sie hätte vor ihrer Abfahrt besser noch einmal nach ihm sehen sollen.
»Guten Tag, Mrs. Lorimer Maam.«
Sie hatte die Stimme mit dem dunkel-süßen Klang erkannt,noch bevor sie den Kopf wandte. Rovena Mougadou, eine hochgewachsene Schwarze, schritt mit stolzem Blick über den Vorplatz auf sie zu. In ihrer schwarzen Tunika und einem Bienenkorbturban, der ihre schlanke Gestalt krönte, erinnerte sie an eine archaische Königin. Rovena entstammte einem Clan afrokaribischer Zauberer auf Saint-Domingue. Ihre Kenntnisse geheimer Praktiken und Rituale des Voodoo-Kultes verschafften ihr einen fatalen Einfluss auf die Sklaven im weiten Umkreis.
Antonia fühlte sich in ihrer Gegenwart nicht wohl. Von der schönen Antillaise schien eine unheilvolle Aura auszugehen, die sich ihrer Umgebung augenblicklich mitteilte, als hätten die Vögel aufgehört zu singen.
»Da bist du also wieder, Rovena.«
»Die Engländer gehen – unsere Leute kehren zurück. Nicht alle, natürlich.« Rovena lächelte ohne Freundlichkeit. »Sie haben Ihren Mann verloren, Sie Unglückliche.«
»Ich komme zurecht«, entgegnete Antonia. Es machte sie nervös, wenn diese Frau vom Unglück sprach.
»Sie sind nicht allein auf Legacy, Maam«, sagte Rovena gedehnt. »Wie ich höre, ist Joshua Robert zurückgekommen?«
»Anscheinend sprechen sich die Dinge schnell herum!«
»Manche Dinge sprechen sich herum, Maam, und von manchen erfährt man nie, selbst wenn sie direkt vor unseren Augen geschehen.«
»Was soll das wieder heißen?«
Rovena trat näher an die Stufen heran. »Sie sind nervös, Mrs. Lorimer.«
»Ich bin nicht nervös!«
»Aber Sie machen sich Sorgen.« Rovena starrte sie sonderbar an. »Sie denken an diesen Mann … Sie fürchten um sein Leben.«
Antonia erschrak, wie konnte Rovena wissen, was in ihr vorging? »Um welchen Mann sollte ich mich sorgen?«, antwortete sie ausweichend. »Du weißt, mein Mann ist tot.«
»Ja, er ist tot!« Rovenas Ton änderte sich schlagartig. »Mass’a Lorimer hatte den Tod verdient, und er wusste es. Sein Schicksal hat ihn nicht überrascht.«
»Was fällt dir ein?«, stieß Antonia hervor. »Hast du vergessen, wie viel mein Mann für deine Leute getan hat?«
»Oh nein, Maam, ich hab’s nicht vergessen. Kein Schwarzer in dieser Gegend wird je vergessen, was Mass’a Lorimer uns angetan hat.« Leiser, als vertraute sie ihr ein Geheimnis an, setzte sie hinzu: »Ein besserer Mann hat ihn getötet!« Dann ging sie zu den Sklavenquartieren davon.
Antonia sah ihr fassungslos nach. Obwohl Rovenas ungeheuerliche Anschuldigung gegen Henry böswillig aus der Luft gegriffen sein musste, blieb bei Antonia ein beunruhigendes Gefühl zurück, als sei ihr etwas Wichtiges entgangen. In tiefem Grübeln traf Shaughnessey sie an.
»Was halten Sie davon«, riss er sie aus ihren Gedanken, »wenn ich morgen mit meinem Vorarbeiter Jordan bei Ihnen vorbeischaue?«
»Oh … ja, jederzeit! Danke, Frank, Sie sind wirklich sehr freundlich. Also dann bis morgen.«
Heimwärts lief das Maultier gewohnheitsgemäß in flotterem Trott. Am Himmel zogen breite Wolkenbänke nach Westen, der Sommer ging zu Ende. Antonias Gedanken kreisten um Rovenas Worte: »Kein Schwarzer in dieser Gegend wird je vergessen, was Mass’a Lorimer uns angetan hat …« Was hatte die Antillaise damit gemeint? Henry war doch stets für die Sache der schwarzen Sklaven eingetreten. Oder nicht? Sie beschloss, Joshua zu fragen. Er war ein Schwarzer, er musste wissen, wovon Rovena gesprochen hatte.
Als sie in der Abenddämmerung nach Hause kam,
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