Die Plantage: Roman (German Edition)
erklärten, die Plantage alleine leiten zu wollen.« Er schien Antonias Nervosität nicht zu bemerken »Sagen Sie, wie machten Sie die Bekanntschaft dieses Mannes?«
»Nun, das war so …«, improvisierte sie, während sie zusammen zum Haus zurückgingen, »Henry lernte Marshall im Feldlager kennen … etwa vor einem Jahr. Er hat ihm anscheinend von unserer Plantage erzählt und … na ja, darum kam Marshall nach Legacy.«
Bei seinem Wagen angelangt, ließ Hocksley sich schwer in den gepolsterten Sitz fallen. Bevor er dem Kutscher das Zeichen zur Abfahrt gab, beugte er sich über den Schlag und fragte: »Aber wozu hat der Mann sein Pferd hiergelassen?«
»Damit es sich erholt«, antwortete sie geistesgegenwärtig. »Auch für die Tiere ist ein Feldzug strapaziös. Er ist mit dem Handpferd zurückgeritten. Den Hengst hat er hier zur Pflege untergestellt.«
»Verstehe«, sinnierte Hocksley. Plötzlich fasste er sie schärfer ins Auge. »Vergessen Sie nicht, Ihren Verwalter beizeiten mitden hiesigen Gepflogenheiten vertraut zu machen. Es wäre bedauerlich, wenn der Mann an denselben Schwierigkeiten scheitern würde wie der arme Henry seinerzeit.«
»Wollen Sie wieder gegen mich intrigieren?«
»Aber meine Liebe, wir sind doch eine Familie!«
»Sind wir das, Mr. Hocksley?«
Er wandte sich ab und rief: »Abfahren!«
Ans Gatter gelehnt sah Antonia zu, wie Joshua Grace versorgte. Er striegelte ihr Fell, bürstete die üppige Mähne und den Schweif, danach verriegelte er die Box und stellte den Korb mit Bürsten und Kardätschen beiseite. Er setzte sich auf einen Heuballen, nahm seinen Hut ab, strich sich durchs kurzgeschorene Haar, während er nachdenklich schwieg. Antonia setzte sich zu ihm.
»Wir haben also einen Verwalter, Josh! Eigentlich keine schlechte Idee.« Sie knuffte ihn in die Seite und lachte: »Ich wette, unser Colonel wird von deinem Vorschlag begeistert sein!«
Joshua schien nicht zu Scherzen aufgelegt. »Wie lange wird der Engländer noch hier sein, Miss Antonia?«
»Woher soll ich das wissen? Vier Federn sagt, er brauche noch ein paar Wochen Ruhe. Warum fragst du?«
»Ich habe mir heute die Schäden im Herrenhaus angesehen. Die Bibliothek verfällt. Wenn nichts geschieht, werden nach ein paar stärkeren Regenfällen noch mehr Räume unbewohnbar. Sie sollten das Haus bald instand setzten lassen, sonst ist es zu spät.«
Es stimmte, sie durften die letzten Tage vor den Herbststürmen nicht ungenutzt verstreichen lassen. Aber das bedeutete, sie musste Bauhandwerker kommen lassen. Einerseits wollte sie vermeiden, dass fremde Leute auf die Plantage kamen, solange sie Marshall hier beherbergte. Andererseits kam es nicht in Frage, die Bibliothek und weitere Zimmer mit schönem Mobiliar aufzugeben.
»Gut, ich werde Mr. Shaughnessey fragen, ob er mir ein paar Männer für die Instandsetzung schickt.«
»Und der Engländer?«
»Richtig, der Engländer! « Es störte sie, dass Joshua sich weigerte, Marshall bei seinem Namen zu nennen. »Unser Gast wird hoffentlich so klug sein, im Kutscherhaus zu bleiben, solange die Bauleute hier arbeiten.«
6.
Die Shaughnesseys lebten auf The Willows, einer Reisplantage flussabwärts kurz vor Borroughton am Plains River. Frank Shaughnessey war ein angesehener, bodenständiger und umgänglicher Mann, und er war ein alter Freund der Lorimers. Unter seinen Sklaven gab es Männer, die er zu Handwerkern für seine eigenen Bauvorhaben ausgebildet hatte und bei Bedarf auch als Leiharbeiter auf die umliegenden Plantagen entsandte. Antonia wollte ihn bitten, die notwendigen Reparaturen an ihrem Haus vorzunehmen, und ihm als Gegenleistung die Nutzung ihrer Indigopflanzungen anbieten.
Joshua hatte den Maultierwagen für sie angespannt. Während sie gemächlich dahinzockelte, dachte sie an ihre Kutschen, die unter Planen geschützt in der Remise auf bessere Zeiten warten mussten. Neben einer altmodischen Equipage und einem komfortablen Landauer stand dort auch ein Phaeton. Seit sie einmal ihre Cousine Elise Raleigh in einem solchen Gefährt auf der River Road schnell wie der Wind hatte vorübergleiten sehen, hatte sie davon geträumt, selber einen Sportwagen zu besitzen. Zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag hatte Henry ihr dann tatsächlich einen meergrünen Phaeton geschenkt. Es war ein verrückter Einfall gewesen, sie konnten sich den teuren Wagen mit dem entsprechenden Gespann eigentlichnicht leisten. Aber wie vollkommen selig war sie doch gewesen!
Am späten Vormittag
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