Die Plantage: Roman (German Edition)
Teufel gewünscht …«
Antonia hörte schon nicht mehr zu, sie rannte zum Kutscherhaus.
Die Petroleumlampe neben dem Bett war heruntergedreht. Aufgestützt auf ein paar Kissen, schien Marschall im Halbschlaf vor sich hinzudämmern. Antonia erkannte sofort, dass es ihm schlechter ging; die Schatten auf seinen Wangen, die tiefen Linien um seinen Mund verhießen nichts Gutes. Sie ging zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Langsam wandte er den Kopf in ihre Richtung.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte sie behutsam. »Joshua meinte, Sie hätten keinen guten Tag gehabt?«
Er antwortete nicht.
Wie lange würde sie seine Zurückweisung noch hinnehmen müssen?, dachte sie und seufzte. Warum konnte er sich nicht damit abfinden, für eine gewisse Zeit auf ihre Hilfe angewiesen zu sein?
Schweigend bereitete sie frische Verbände vor. Als sie ansBett trat und die äußeren Bandagen um seinen Oberkörper zu lösen begann, wich er plötzlich zurück; er schüttelte den Kopf, bedeutete ihr, sie solle aufhören. Im selben Augenblick spürte sie die Hitze, die durch seine Verbände drang. Beunruhigt fasste sie seine Handgelenke. Die Haut glühte, sein Puls ging zu schnell. Vier Federn hatte recht gehabt, er hätte nicht aufstehen dürfen.
»Mr. Marshall, bitte sehen Sie mich an!«, sagte sie eindringlich und schüttelte seinen Arm. »Kommen Sie, erkennen Sie mich? Mr. Marshall?«
Er nickte vage, doch seine Augen wirkten trüb.
»Hören Sie mir zu«, sagte sie laut. »Sie müssen etwas gegen das Fieber einnehmen. Ich werde hinausgehen und Medizin für Sie holen. Bis ich zurück bin, müssen Sie sich wach halten, haben Sie das verstanden? Versuchen Sie, wach zu bleiben!«
Sie lief in die Küche, wo sie Joshua damit beschäftigt fand, ihre Tasche auszupacken und die Arzneien auf dem Küchentisch zu sortieren. Sie nahm das kleine Schneckenhaus mit dem fiebersenkenden Mittel und wollte gleich wieder gehen, als sie Joshuas schuldbewusste Miene bemerkte.
»Du kannst nichts dafür, Joshua. Das Fieber hat er sich selbst zuzuschreiben.«
»Man könnte ihn in nasse Tücher hüllen«, sagte er. »Wenn Sie wollen, kümmere ich mich darum.« Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu und war schon bei der Tür, als er brummte: »Aber das tue ich nur Ihretwegen!«
Marshall war noch bei Bewusstsein. Sie half ihm, sich aufzusetzen.
»Machen Sie den Mund auf«, sagte sie und legte ihm das Schneckenhaus auf die Zunge. »Sie müssen es zerkauen und hinunterschlucken.«
Danach gab sie ihm Wasser zu trinken. Sie musste ihn stützen, aber er war so schwer, dass sie ihn kaum halten konnte. Ohne Joshuas Hilfe, das wurde ihr wieder bewusst, hätte sieihn niemals versorgen können. Als Joshua mit einem Ballen nasser Laken hereinkam, erklärte sie Marshall, was sie vorhatten. Soweit die Verbände es erlaubten, wickelten sie ihn in die feuchtkalten Tücher. Zuletzt deckten sie den Fiebernden mit zwei Decken zu. Mehr konnten sie im Augenblick nicht für ihn tun. Joshua versprach, später in der Nacht noch einmal nach ihm zu sehen, und ging zur Remise zurück.
Antonia wollte so lange bleiben, bis sich Marshalls Zustand gebessert hätte. Sie setzte sich an sein Bett und beobachtete ihn. Er hatte die Augen geschlossen, atmete schwer, manchmal sprach er im Fieber zerrissene Sätze, die sie nicht verstand. Die Temperatur schien, nachdem die Arznei zu wirken begann, noch gestiegen zu sein. Er keuchte und wälzte sich unruhig von einer Seite zur anderen. Antonia musste ihn festhalten, damit er die Tücher und Decken nicht wieder abstreifte. Endlich, nach über einer Stunde fiel die Anspannung von ihm ab und er atmete gleichmäßiger. Vielleicht schlief er. Sie strich seine langen Haare zurück, die feucht an seinen Schläfen klebten, und ließ ihre kühle Handfläche über seine Wangen gleiten. Mit einer Fingerkuppe fuhr sie die Linie seines Lippenbogens nach. Dann beugte sie sich herab und küsste ihn.
Als Joshua später hereinkam, fand er Antonia schlafend neben Marshall. Er griff nach Marshalls Handgelenk und konnte keine Anzeichen mehr von Fieber feststellen. Ohne ihn zu wecken, nahm er ihm die feuchten Tücher ab und deckte ihn ordentlich zu. Antonia wurde darüber nicht wach. Er breitete auch über sie eine Decke, ehe er den Raum wieder verließ.
Ein Sonnenstrahl stahl sich durch ihre Wimpern. Antonia blinzelte und hielt die Hand vor die Augen gegen das grelle Tageslicht. Die Vorhänge waren zurückgezogen, die Fenster weit geöffnet. Sie war allein.
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