Die Plantage: Roman (German Edition)
versorgt ihn gut.«
»Und du?«
»Ach, ich versuche, freundlich zu sein, aber er …« Sie begegnete dem forschenden Blick der Indianerin, und da brach es aus ihr hervor: »Ich verstehe ihn einfach nicht! Ich meine, ihm ist etwas Schreckliches widerfahren, und ich möchte ihm gerne Gutes tun. Aber er hat für mich nur Verachtung übrig. Seine anmaßende Art wäre Grund genug, ihn zu hassen!«
Vier Federn sagte nichts dazu. Sie begann, einige Heilmittel einzupacken. Nach einer Weile fragte sie: »Wie ist ihm der Ausflug zur Veranda gestern bekommen?«
»Nicht so gut, glaube ich.«
Vier Federn nahm ein hauchdünnes, mit Bienenwachs verschlossenes kleines Schneckenhaus und legte es vor Antonia auf den Tisch. »Hier, gegen das Fieber.«
»Er wird es nicht nehmen.«
»Oh doch, er wird!«
Als Antonia zurückkam, stand vor dem Haus ein dunkelblauer Landauer. Vier Rappen waren angespannt, am Schlag prangten die Initialen der Hocksleys von Prospero Hill. Der Kutscher in kornblumenblauer Livree stand vorne beim Leitpferd. Er streifte Antonia mit seinem ausdruckslosen Sklavenblick.
Sie war alarmiert, ein Besuch ihres Schwagers verhieß selten Gutes. Nachdem Hocksley sie nicht zum Verkauf der Plantage bewegen konnte, sann er bestimmt auf irgendwelche Schliche, um Legacy doch noch an sich zu bringen. Gern hätte sie darauf verzichtet, ihn überhaupt zu begrüßen. Doch Marshalls Anwesenheit zwang sie, diplomatisch zu sein und die üblichen Höflichkeiten mit Hocksley auszutauschen, bevor sie ihn wieder verabschieden konnte. Keinesfalls durfte er Marshall zu Gesicht bekommen, denn auch ohne viel Phantasie würde er sonst Schlüsse ziehen, die für sie alle verhängnisvoll wären. Aber wo war Hocksley? Und wo war Joshua, jetzt, da sie ihn dringend brauchte?
»Hast du gesehen, wo Mr. Hocksley hingegangen ist?«, fragte sie den Kutscher.
»Ja, Maam.« Der Schwarze nickte träge. »Mass’a Hocksley ist zu den Stallungen gegangen. Er hat den kleinen Grauschimmel gebracht.«
»Grace!« Antonias Herz tat einen Sprung. Sie lief zum Wirtschaftshof, legte die Tasche mit den Medikamenten vorm Kutscherhaus ab und eilte weiter zum Stallgebäude. Als sie durch das Tor trat, hörte sie ihren Schwager mit Joshua reden.
»Du wirst dich ordentlich um das Pferd kümmern, hast du verstanden, Joshua? Es muss neu beschlagen werden, seit Monaten stand es auf der Koppel. So ein wertvolles Tier ist eigentlich viel zu schade für diese Wildnis … Ah, meine Liebe, da sind Sie ja endlich!«
Antonia blinzelte, als sie in den dämmerigen Stall eintrat. Neben Hocksley stand Joshua und hielt ihre graue Araberstute am Halfter. Das Pferd drängte sofort auf sie zu und stieß sie zutraulich mit der Nase. Antonia streichelte Graces Mähne, ihren feinnervigen Kopf mit dem konkav geschwungenen Nasenrücken.
Mit Tadel in der Stimme bemerkte Hocksley: »Ich bin etwas verwundert, Antonia! Ich denke, Sie sollten ohne Begleitung nicht ausgehen.«
»Sehr freundlich, Theodore, dass Sie sich um mich sorgen. Aber nun, da ich Grace wiederhabe, kann ich ja auf meinen einsamen Wegen allem Ungemach einfach davonreiten!«
Hocksley überhörte ihren Spott. »Es war Dianes Idee. Sie glaubt, Sie hingen an diesem kapriziösen Pferd.« Weil der erwartete Dank ausblieb, setzte er hinzu: »Gut, dann möchte ich Ihre Zeit nicht länger beanspruchen.«
Antonia wollte erleichtert aufatmen, doch plötzlich ertönte am anderen Ende der Stallgasse Ghosts herrisches Wiehern.
»Was ist das?«, fragte Hocksley und schritt an den Reihen leerer Stallabteile vorbei, um sich den imposanten Hengstgenauer anzusehen. »Ein prachtvolles Tier!«, staunte er. »Wo haben Sie ihn her? Es ist so gut wie unmöglich, in diesen Zeiten anständige Pferde zu bekommen.«
Antonia überlegte, was sie sagen sollte, als Joshua ihr zuvorkam: »Das Pferd gehört Mr. Marshall.«
»Und wer ist Mr. Marshall?«, wollte Hocksley wissen, worauf Joshua sich Antonia zuwandte und harmlos fragte: »Haben Sie Mr. Hocksley denn nicht von Ihrem Verwalter erzählt, Miss Antonia?« Da sie verständnislos den Kopf schüttelte, erklärte er: »Mr. Marshall ist vor ein paar Tagen hier gewesen, Sir. Er hat sich die Plantage angesehen, um sich ein Bild zu machen, welche Arbeiten fürs Erste anstehen. Er musste noch einmal zu seinem Regiment, wird aber bald wiederkommen und hier die Verwaltung übernehmen.«
Hocksley strich sich den Backenbart. »Ein Verwalter? Das ist eine unerwartete Wendung, nachdem Sie mir neulich
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