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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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sah sie in den Dachfenstern der Remise Licht. Sie führte das Maultier auf die Koppel und brachte ihm einen Eimer Mais. Dann stieg sie die steile Außentreppe zur Dachkammer hinauf. Joshua hatte siekommen gehört, er stand in der Tür, noch in Arbeitskleidung. Er würde sie nicht hereinbitten. Sie erwartete es auch nicht, sie respektierte diesen privaten Bereich seines Lebens. Schlimm genug, dass sie ihn aus dem Kutscherhaus vertrieben hatte.
    »Alles in Ordnung, Miss Antonia? Sie waren lange weg.«
    »Ja, und es hat sich gelohnt. Mr. Shaughnessey schickt schon morgen seine Bauleute.« Sie zögerte, denn was sie jetzt ansprechen musste, hatte ihr Joshua, falls Rovenas Andeutungen stimmten, seit Monaten verschwiegen. »Ich traf die Antillaise …«
    »Rovena? Sie ist zurück?«
    »Sie hat nach dir gefragt, Joshua.«
    »Was hätte ich mit ihr zu schaffen?« Er trat auf den Treppenabsatz heraus und lehnte sich lässig ans Geländer. Antonia wusste, seine Gleichgültigkeit war gespielt. Auch wenn er nicht abergläubisch war wie die schwarzen Sklaven, hielt er sich von den Anhängern des Voodoo-Kults, die bei den weißen Landbesitzern als Unruhestifter galten, fern.
    »Weißt du, dass sie meinen Mann ›Mass’a Lorimer‹ nennt, als wäre er ein Sklavenhalter gewesen? Anscheinend gibt es böse Gerüchte.«
    »Was für Gerüchte?«
    »Das solltest du besser wissen als ich, Joshua!«, sagte sie schärfer als beabsichtigt. »Du kennst die Schwarzen von den Plantagen, sie reden mit dir.«
    »Die Leute reden viel, Miss Antonia.«
    »Rovena sagte, Henry habe etwas Schlimmes getan, etwas Unverzeihliches.«
    »Sie soll sich besser um ihren eigenen Ruf sorgen! Denken Sie nicht mehr über diese dumme Geschichte nach.«
    »Also gibt es eine Geschichte?«
    »Nur leeres Geschwätz … Sie dürfen so etwas nicht ernst nehmen!«
    »Was soll ich nicht ernst nehmen?«
    Joshua sah, dass sie sich nicht damit zufriedengeben würde. »Also gut, es ist ungefähr ein Jahr her. Erinnern Sie sich noch, wie die Sklaven, die mit den Engländern fortgezogen waren, nach und nach wieder eingefangen und zu ihren früheren Besitzern zurückgebracht wurden? Irgendwann einmal hieß es, Mr. Lorimer habe dabei seine Hand im Spiel gehabt.«
    »Das ist absurd! Henry so etwas zu unterstellen, nachdem wir unsere Sklaven freiließen …«
    »Bei Gott, Miss Antonia, ich habe diesem Gerede nie geglaubt!«
    »Nein, du nicht, Joshua.«
    Wer würde erzählen, dass Henry sich unter der Hand am Sklavenhandel beteiligt habe? War er nicht seiner liberalen Haltung wegen von anderen Pflanzern scharf kritisiert worden? Ein Sinneswandel hätte ihn in Pflanzerkreisen rehabilitiert. Doch das war nicht geschehen, die meisten hatten ihn zeit seines Lebens für einen verantwortungslosen Träumer gehalten. Und doch kursierten offenbar Gerüchte, wonach er ein Kopfgeldjäger gewesen sein soll. Konnte sie sich so in ihm getäuscht haben? Sollte seine Menschenfreundlichkeit nur eitle Attitüde gewesen sein, während er sich in Wahrheit am Handel mit entlaufenen Sklaven bereicherte? Die Vorstellung, von Henry so schändlich betrogen worden zu sein, war kaum zu ertragen. Sie fühlte sich mit einem Mal erschöpft. Zu erschöpft, dachte sie, um sich auch noch mit Marshall auseinanderzusetzen, der ihr zu Recht vorhalten würde, ihn den ganzen Tag vernachlässigt zu haben.
    »Wie geht es unserem Patienten?«, fragte sie mit Blick zum Kutscherhaus.
    Augenblicklich verdüsterte sich Joshuas Miene. »Zur Hölle mit ihm!«, grollte er. »Der Kerl weiß gar nicht, was für ein Glück er hatte, dass sein Gaul ihn gerade hier fallen ließ. Ein paar Meilen weiter, und sie hätten ihn am nächsten Baum gehenkt!«
    »Joshua, bitte!«, sagte sie müde und ging die Treppe hinunter.
    »Hören Sie, ich weiß doch, wen ich vor mir habe!«, rief er ihr nach. »Ihr Colonel ist keiner dieser feinen Stabsoffiziere. Wie lange wollen Sie denn noch die Augen vor der Wahrheit verschließen, Miss Antonia? Denken Sie an seine Uniform, an die Waffen, an seine verächtliche Haltung: Er ist ein Dragoon, und zwar einer der schlimmsten Sorte, glauben Sie mir! Ich habe an Mr. Lorimers Seite gegen diese Schlächter gekämpft.«
    Antonia wandte sich am Fuß der Treppe um. »Wie geht es ihm?«
    »Was kümmert’s mich, wie es ihm geht!«
    »Joshua!«
    »Na ja, heute war nicht viel mit ihm los. Jedenfalls machte er keinen Versuch aufzustehen. Er wollte auch nichts essen. Als ich ihm was zu trinken brachte, hat er mich zum

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