Die Plantage: Roman (German Edition)
Mass’a.«
Hocksley kniff die Augen zusammen und wurde noch direkter: »Deine Brüder auf Hollow Park haben euch hier in große Schwierigkeiten gebracht. Erst töten sie bei einem Voodoo-Ritual diese Frau, danach werfen sie sie hier ins Wasser. Was meinst du, wo der Constable die Täter suchen wird?«
Jeremys Miene blieb beherrscht, dennoch hatten Hocksleys Worte ihre Wirkung nicht verfehlt. Sein Atem ging rascher, als er sagte: »Auf Elverking gibt’s kein Voodoo, Mass’a. Die Leute hier wissen nichts von Freitagsmessen.«
»Wie du meinst«, entgegnete Hocksley trocken. »Ich bin sicher, bis morgen früh wird mir einer von euch erzählen, was ich wissen will.«
Die Drohung war unmissverständlich. Jeremy wusste, dasskein Sklave von Elverking eine gezielte Befragung unter der Peitsche durchstünde. Schweiß trat auf seine Stirn, er dachte an seine Frau, seine beiden Söhne und all die anderen, für deren Wohlergehen er sein Leben lang verantwortlich war. Um sie zu schützen, entschloss er sich, seinen Klan zu verraten.
»Ich bin Jérémie Mougadou«, sagte er gefasst. »Ich wurde auf Beau Séjour geboren. Fragen Sie mich, wenn Sie etwas über meine Stammesbrüder wissen wollen.«
Hocksley weidete sich an Jeremys Verzweiflung. Aber er wollte seinen schönen Plan nicht gefährden, darum bemühte er sich um einen Anklang von Milde, als er ihn befragte. »Viele Sklaven auf Hollow Park gehören zu deinem Stamm. An wen, glaubst du, würden sie sich wenden, wenn sie Rat suchen?«
Jeremy sah schweigend geradeaus und vermied es, den gefährlichen Mann anzusehen.
Hocksley ließ nicht locker: »Du weißt, dass es in der Gegend nur eine Voodoo-Hexe gibt, die von den Leuten eures Klans anerkannt wird.«
»Sie meinen die Antillaise ? Sie lebt nicht auf Hollow Park.«
»Glaubst du, das wüsste ich nicht? Sie kommt und geht wann und wohin sie will, seit sie keine Sklavin mehr ist. Wann war sie zuletzt am Ashley River? Rede!«
Jeremy schüttelte den Kopf und bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
An seiner Stelle antwortete Crossbow: »Gestern fuhr der Aufseher mit Jeremy und seinen beiden Söhnen rüber nach Stratton. Die Reispflanzung produziert für den Bedarf von Hollow Park, die Überschüsse verkauft Reed an mich. Während die Männer den Reis aufluden, bekam Javis einen Fieberanfall. Heute früh erzählte er, die Hexe Rovena Mougadou habe ihm auf Stratton irgendwelche Drogen verabreicht.«
»Gestern war Freitag, Jeremy«, sagte Hocksley leise. »Berichte mir von der Zusammenkunft der Mougadous letzte Nacht am Ashley River.«Eingepfercht in der staubigen Luft des Trockenschuppens standen die Arbeiter, die zum Verlesen des Tabaks eingeteilt waren. Auf niedrigen Holztischen lagen die gedörrten, gelbbraunen Blätter, die sie nach Qualität sortieren und in Ballen binden mussten. Eine einzige Stimme sang einen klagenden Gottesruf, danach wurden keine Lieder mehr angestimmt, es gab auch keine Gespräche oder Dispute. Die Menschen in der halbdunklen Baracke schwiegen, doch das Schweigen war beredt. Der neue Aufseher Quinn fühlte die abweisenden Blicke. Er hielt es in der stickigen Enge nicht lange aus, ging hinaus und setzte sich, an die Wand des Trockenschuppens gelehnt, auf eine Bank in den Schatten, darauf hoffend, dass die Leute trotz seiner Abwesenheit ihre Arbeit machen würden.
Gegenüber bei den Unterkünften sah er die kleine Sklavin, die sich um Javis kümmern sollte. Sie schlich unter dem Vordach der Sklavenhütten entlang. Der dunkelblaue Kittel, der formlos um ihren dünnen Körper hing, ließ ihre zarten Knöchel und bloßen Füße sehen. Sie sprang auf die steinerne Umfassung des Brunnens und stellte einen Blecheimer unter den Pumpenkopf. Quinn beobachtete sie, wie sie beidhändig den Hebearm betätigte, bis endlich ein schwacher Wasserstrahl in den Eimer rann. Danach kam sie mit dem vollen Eimer, dessen Gewicht sie zu einer Seite herabzog, denselben Weg zu den Sklavenunterkünften zurück. Als sie auf Höhe der Bank anlangte, rief Quinn quer über den Hof: »He, Mädchen, warte mal.«
Misstrauisch sah sie zu ihm hinüber. Sie kannte den Fuhrknecht vom Sehen, ein großer Kerl mit ausgeblichenem strähnigem Haar und von der Sonne braungebrannter Haut, der die Pferde versorgte und den Master kutschierte. Weil Javis nicht mehr aufstehen konnte, hatte er jetzt die Aufsicht über die Sklaven; sie musste also tun, was er sagte. Unschlüssig stellte sie den Eimer ab und wartete, während er zu ihr
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