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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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medizinischen Fachbegriffe verstand sie nach kurzem Überlegen, Inghams Stellungnahme auf der letzten Seite prägte sie sich genau ein. Dann legte sie den Bericht zurück.
    Ingham gab ihr das Rezept. »Sie sehen blass aus, Madam.«
    »Ich bin nur etwas müde.« Sie stand auf, um sich zu verabschieden. »Könnte Ihr Assistent mir einen Wagen rufen? Ich möchte gleich nach Hause.«
    Ingham schickte den Studenten nach einer Droschke und begleitete Antonia hinaus.
    »Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen, Mrs. Lorimer«, sagte er herzlich. »Es war richtig, dass Sie hergekommen sind. Geben Sie auf sich acht, und seien Sie vor allem zuversichtlich. Leben Sie wohl!«
    Zwei Tage zuvor war Ingham in seinem Einspänner zu den Pflanzungen und kleineren Farmen am Ashley River gefahren, um die am Fieber erkrankten Plantagenarbeiter mit Medikamenten zu versorgen. Als er nachmittags in drückender Hitze auf Elverking eintraf, herrschte dort eine ungute Stille. Ein paar Schwarze lungerten vor den Sklavenhütten; sie beobachteten, wie er vor dem Herrenhaus anhielt, aber keiner von ihnen rührte sich zu seiner Begrüßung noch kam jemand, um das Pony zu versorgen. Er nahm seine Arzttasche und wollte sich zuden Sklavenquartieren begeben. Da trat Crossbow vor die Tür und bat ihn kurz angebunden um eine Unterredung.
    Im Salon empfing ihn Theodore Hocksley; als sei er der Hausherr, bot er ihm einen Platz an und einen Drink, während Crossbow nach dem Aufseher Javis schickte. Ingham behandelte Javis seit mehreren Monaten wegen einer Malariainfektion. Als der junge Mann hereinkam, erkannte der Arzt mit einem Blick seine kritische Verfassung und ging ihm besorgt entgegen. Doch Hocksley hielt ihn auf. »Wir haben Sie nicht wegen Javis hereingebeten, Doktor.«
    »Sondern?«
    »Die Schwarzen haben im Kanal eine verstümmelte Frauenleiche gefunden.«
    »Das ist Sache des Constable.«
    »Er wurde bereits benachrichtigt. Für das Protokoll ist ein ärztlicher Befund erforderlich, jemand muss den Totenschein ausstellen. Da Sie schon mal hier sind, Doktor, könnten Sie das erledigen.«
    »Der zuständige Constable von Goose Creek wird nicht erbaut sein, wenn sich ein Arzt aus Charles Town mit dem Fall befasst«, gab Ingham zu bedenken.
    »Sie sind nicht gerade kooperativ, Ingham!«, murrte Crossbow. »Nachdem ich Ihre Experimente mit meinen Sklaven jahrelang geduldet habe …«
    »Die Lebenden brauchen meine Hilfe, nicht die Toten«, meinte Ingham, worauf Crossbow sich verärgert in einen Sessel warf. Plötzlich fuhr er den Aufseher in angewidertem Ton an: »Verdammt, Javis, gehen Sie und schaffen Sie endlich die Leiche weg!«
    »Sir?«
    »Bringen Sie die Tote hier weg, irgendwohin, wo uns der Gestank nicht belästigt. Na los!«
    Javis reagierte verzögert, wie in Trance wankte er zur Tür.
    »Warten Sie, Mr. Javis!«, rief Ingham und fasste ihn stützendum die Schultern. Zu den beiden Männern in ihren Fauteuils sagte er: »Also gut, ich werde die Tote untersuchen und dem Commissioner den Befund schicken. Aber später möchte ich mich ungestört meinen Patienten widmen.«
    »Na also, warum nicht gleich!«, meinte Crossbow. »Javis kann Ihnen die Leiche zeigen.«
    Sie gingen über eine Wiese zu einem Karren, beim Näherkommen bemerkte Ingham den Geruch, die Fliegenschwärme. Auf der Ladefläche, notdürftig von einer Plane bedeckt, lag eine Frauenleiche, deren Körper ungewöhnliche Verletzungen aufwies. Ingham entfernte die Plane und klappte eine Seitenwand des Karrens herab, dass die Tote wie auf einem Tisch vor ihm lag. Auf seine Frage erfuhr er von Javis, die Frau habe in einem Bordell an der Landstraße, zwei Meilen von Elverking, gearbeitet.
    Die Tote war gefesselt. Man hatte ihr die Hände so hinter dem Kopf zusammengebunden, dass der Strick zwischen den Handgelenken in einer Schlinge um ihren Hals lag. Beim Versuch, sich zu wehren, hatte sie sich selber stranguliert, wie die blutunterlaufenen Würgemale an ihrer Kehle zeigten. Die Kleider waren zerrissen, am Oberkörper bis zu den Hüften fanden sich symmetrisch angeordnete Schnittverletzungen. Mit einer Sonde fuhr Ingham in die größeren Wunden, prüfte die Menge geronnenen Blutes, die Beschaffenheit der Wundränder; er nahm an, das Opfer hatte noch gelebt, als ihm die Verletzungen beigebracht wurden. Die Untersuchung der Geschlechtsorgane ergab keine Anzeichen von sexuellen Handlungen im Zusammenhang mit der Tat. Der Zustand der Leiche schien Javis Vermutung zu bestätigen, dass der Tod

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