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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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herüberkam.
    Quinn fragte sich, wie alt sie wohl sein mochte; dreizehn, höchstens vierzehn Jahre. Ihr Haar lag in kleinen Zöpfen umden schön modellierten Kopf, was ihrem Gesicht etwas rührend Kindliches verlieh.
    »Sag, Kleine, wie geht es Mr. Javis?« Sie sah ihn erschrocken an, antwortete aber nicht. »Du warst doch bei ihm? Der Doc meinte, ich soll dich freistellen, damit du ihn versorgen kannst.«
    »Er wird sterben«, antwortete sie, wachsam die Miene des Mannes im Blick, fluchtbereit.
    Er fuhr sich mit der Hand über die Wange, gegen den rauen Strich seines Bartes von zwei Tagen, und sagte: »Greg hat manchmal von dir geredet. Ich glaub, er mag dich.« Er sah an dem zierlichen Mädchen herab. »Hat er … ich meine, habt ihr beide …«
    »Nein!« Sie wich zurück. »Nur daran denken Sie! Dass er stirbt, ist Ihnen egal!« Erschrocken presste sie die Hand auf den Mund, so hätte sie nicht mit ihm reden dürfen.
    Quinn blickte nach rechts und links über den Hof, es war niemand zu sehen. Er trat auf das Mädchen zu, ließ seine Hand ihren dünnen Arm hinaufgleiten, berührte ihre Schulter, die samtweiche, braune Haut ihrer Wange. Ihre aufgerissenen Augen zeigten, wie sehr sie sich fürchtete. Da trat er zurück, räusperte sich. »Du darfst nicht glauben, ich hätte kein Mitleid mit ihm.« Er stieß mit dem Stiefel nach ein paar kleinen Steinen und sagte mehr zu sich: »Greg ist der einzige Mensch in diesem gottverlassenen Sumpf, mit dem man schon mal reden konnte. Jetzt frisst ihn das Fieber auf, es ist erbärmlich!«
    Das Mädchen sagte vorsichtig: »Warum gehen Sie nicht zu ihm, Mass’a Quinn?«
    »Ich weiß nicht.« Quinn zuckte die Schultern. »Worüber redet man mit einem, der stirbt? Ich bin dafür nicht der Richtige.«
    »Sie müssen nicht reden«, sagte sie, »nur bei ihm sitzen und zuhören. Er spricht dauernd, erzählt von so einem König aus den Sümpfen.«
    »Ein König?«
    »Er sagt, der Erlkönig wird kommen und ihn holen.«
    »Ach, der arme Greg, er phantasiert! Der Erlkönig ist eine Gestalt aus einem Märchen.«
    »Aber Mr. Javis hat ihn gesehen! Er sagt, er hat sich die Frau geholt, die sie heute am Lennox Flow gefunden haben.«
    »Prudence Fraser?«, sagte Quinn überrascht. »Wo hat Greg sie gesehen, wann war das?«
    »Letzte Nacht, als Jeremy und seine Jungs ihn von Stratton zurückbrachten. Mr. Javis lag mit Fieber hinten im Wagen. Da sah er den Erlkönig auf seinem Pferd vorbeireiten, und vor ihm im Sattel diese Frau.«
    Wie Javis kannte auch Quinn die Sage vom Erlkönig, der die Menschen verführt, um ihnen das Leben zu nehmen. Quinn wusste, wie schockiert Javis gewesen war, nachdem seine Leute die Leiche von Prudence Fraser gefunden hatten. Das könnte seine Fieberphantasie über den Erlkönig erklären. Wenn es aber gar keine Fieberphantasie war, wenn er Prudence tatsächlich gesehen hatte?
    Das Mädchen nahm den Eimer auf, sie wollte Javis nicht noch länger allein lassen und lief zu seiner Unterkunft.
    Bei der Tür hatte Quinn sie eingeholt. »Warte! Ich weiß nicht mal, wie du heißt, Kleine.«
    »Zadia.«
    »Zadia! Hör mal, ich sollte wohl doch mit Greg sprechen.«
    Sie nickte, schob leise die Tür auf.
    Javis lag apathisch auf seinem Lager, seine Züge waren vom Tode gezeichnet. Zadia strich ihm über die bleiche Stirn und schüttelte traurig den Kopf. Beklommen trat Quinn von dem Sterbenden zurück.
    »Bleib bei ihm, Zadia, lass ihn jetzt nicht allein«, sagte er und leiser, indem er sich abwandte: »Wenn er dich nicht mehr braucht, dann komm zu mir.« Schnell ging er über den Hof davon.Als Antonia von ihrem Arztbesuch zurückkehrte, fand sie das Haus ihrer Schwester voller Gäste. Sie hätte sich zurückziehen können, doch sie blieb in Lydias Salon, ließ sich von langweiligen Personen in langweilige Gespräche verwickeln über Belanglosigkeiten, die den Alltag der meisten Menschen bewegten. Den ganzen Abend verbrachte sie in dieser harmlosen Gesellschaft, nur um den Moment so weit wie möglich hinauszuschieben, da sie allein wäre mit ihren Gedanken.
    Mitternacht war längst vorbei, an Schlaf nicht zu denken. Noch in Kleidern saß sie auf dem Bett und überlegte. Was Ingham ihr zu lesen gegeben hatte, war nicht Javis’ Krankengeschichte gewesen, sondern ein Obduktionsbericht. Es ging um eine tote Frau, die drei Tage zuvor auf Crossbows Plantage Elverking gefunden worden war. Ingham hatte die Frau für die Ausstellung des Totenscheins untersucht. Er schrieb in seinem

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