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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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lange, um sich täuschen zu lassen. Nach einem skeptischen Blick wandte er sich an Inghams Assistenten: »Steigen Sie ein, wir nehmen Sie mit.«
    Der junge Mann ging zum Wagen, Joshua und Antonia blieben allein im Säulengang stehen. »Was ist los, Madam? Ich sehe doch, dass Sie etwas beunruhigt.«
    Sie nickte, Joshua konnte sie nichts vormachen. »Ich fürchte, es ist etwas Schreckliches passiert, Joshua. Doch es geht dabei um Dinge, über die darf man nicht sprechen, über die darf man nicht einmal nachdenken. Und ich muss heute verhindern, dass Dr. Ingham über etwas nachdenkt, bevor die Zeit dafür gekommen ist.«
    Joshua sah ihr in die Augen. »Wovor haben Sie Angst? Sagen Sie es mir!«
    »Ich kann nicht. Bitte, Joshua, wir müssen jetzt los.«
    Antonia und der Arzt saßen einander gegenüber. Auf dem Tisch zwischen ihnen lagen akkurat geordnete Schriften mit Inghams medizinischen Studien, der greifbare Beweis eines nüchternen, von naturwissenschaftlicher Forschung geprägten Lebens. Ingham hatte sie wie immer herzlich empfangen, er konnte allerdings eine gewisse Skepsis nicht verbergen.
    »Ich halte es für wichtig, dass wir uns unterhalten, Madam«, begann er das Gespräch, indem er eine Mappe heranzog und aufschlug. »Sie wissen, dass ich Ihnen vorgestern anstatt meiner Malariastudie versehentlich einen Obduktionsbericht zu lesen gab. Nachdem Sie mich mit keiner Silbe auf meinen Irrtum hingewiesen haben, frage ich mich, was wohl in Ihnen vorgeht?« Sein Ton war eine Nuance schärfer geworden, darum antwortete sie ausweichend.
    »Natürlich war ich von dem, was ich da las, schockiert, Doktor. Ein medizinisches Gutachten über eine verstümmelte Leiche! Bei jedem Laien weckt das gewisses Entsetzen.«
    »Und doch schienen Sie nicht entsetzt.«
    »Vermutlich galt meine Hauptsorge meinem ungeborenen Kind.«
    »Vermutlich«, bemerkte Ingham, der sie aufmerksam beobachtete.
    Als er nach ihrem letzten Besuch die Verwechslung der Abschriften entdeckt hatte, war ihm mit Befremden bewusstgeworden, wie vollkommen unbewegt sie den Obduktionsbericht aufgenommen hatte. Obwohl zu dem Zeitpunkt noch nichts an die Öffentlichkeit gedrungen war, hatte sie über das geschilderte Verbrechen nicht ein Wort der Betroffenheit verloren; was nur bedeuten konnte, dass sie bereits davon gewusst hatte. Die Sache war zu wichtig, als dass er darüber hinweggehen konnte, darum hatte er sie noch einmal zu sich gebeten. Wie nicht anders erwartet, verunsicherten sie seine Fragen, darum lenkte er das Gespräch behutsam in ruhigere Bahnen.
    »Meine Liebe, es ist ganz natürlich, dass Sie von den vorzeitigen Wehen sehr mitgenommen waren. Die Gefahr einer Fehlgeburt muss für Sie ein Schock gewesen sein; zumal Sie nicht zu Hause in Ihrer vertrauten Umgebung waren, sondern zu Besuch auf Hollow Park, ohne Beistand einer sorgenden Hausfrau, deren weibliches Verständnis in einer solchen Situation notwendig gewesen wäre. Wenigstens hatte Mr. Reed jemanden mit den entsprechenden Kenntnissen zur Hand.«
    »Oh, er hat sich auch persönlich um mich gekümmert! Hatte ich das nicht erwähnt?«, sagte Antonia mit Nachdruck. »Er war sehr besorgt, ständig kam er nach oben, um nachzufragen, wie es mir ging. Ich bin überzeugt, Doktor, er hat das Haus keine Sekunde verlassen, während ich dort daniederlag.«
    »Von einem Gentleman kann man so viel Achtsamkeit erwarten, Madam.«
    »Aber ja, er war sehr aufmerksam und wollte keinen Schritt von meiner Seite weichen.«
    Ingham wunderte sich, dass sie ihr Zusammensein mit Reed derart betonte. Vor zwei Tagen noch war sie bestrebt, jeden Gedanken an Vertrautheit zwischen ihnen zu zerstreuen, nun aber erklärte sie, Reed sei Tag und Nacht um sie gewesen. Was konnte ihren Sinneswandel bewirkt haben? Dem Obduktionsbericht musste sie entnommen haben, dass der Mord sich in der Nacht ihres Besuchs, wahrscheinlich nicht allzu weit von ReedsAnwesen entfernt, ereignet hatte. Sollte sie auf Hollow Park etwas beobachtet oder vernommen haben, das sie im Nachhinein mit dem Fall in Verbindung brachte? Wenn es so wäre, was hielt sie dann davon ab, es ihm zu erzählen? Eine vernünftige Frau wie sie würde doch versuchen, zur Aufklärung des Verbrechens beizutragen? Es sei denn, sie hatte ein Interesse daran, genau das zu verhindern, um den Täter zu schützen.
    Ahnungen, Vermutungen, so kam er nicht weiter, er brauchte Beweise. Zwei unaufgeklärte Morde derselben Art, das konnte Zufall sein; drei waren eine Serie. Es gab

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