Die Plantage: Roman (German Edition)
folgenden Abende beim Kartenspiel. Fletcher blieb Williams Spielpartner, nur während der Wachen nahm der Kapitän oder auch der Erste Offizier seinen Platz am Spieltisch ein. Zu guter Letzt hatte man sich doch auf eine Begrenzung des Verlustrisikos verständigt, dergestalt, dass zwar die Höhe der Einsätze offen blieb, das allabendliche Kartenspiel aber nach zwei Stunden endete. William war es nur recht, so konnte er seine nächtlichen Spaziergänge an Deck wiederaufnehmen und sich gelegentlich mit seinem Landsmann Greene unterhalten.
Am fünften Reisetag fühlte McElrond sich nicht wohl. Es herrschte starker Seegang, seit dem Morgen rollte die Brigg auf langen Wellenbergen auf und ab. Der Schotte ließ vom Steward ausrichten, er werde bis auf Weiteres in seiner Kajüte bleiben, und so fiel mit Rücksicht auf den seekranken McElrond das Kartenspiel aus. Am übernächsten Tag war das Meer wieder spiegelglatt, die Crusader glitt vor einer steten Brise ruhig dahin. Doch dem armen McElrond ging es nicht besser, im Gegenteil, er konnte nichts essen, klagte über kolikartige Schmerzen.
Nach dem Dinner ging William an Deck. Er stieg auf die Brücke und erzählte Greene von der Unpässlichkeit des Schotten.
»Also seekrank ist der bestimmt nicht«, bemerkte der Steuermann.
»Das denke ich auch.«
»Ein Doktor wär’ nicht schlecht.«
»Stimmt, der wäre jetzt nicht schlecht«, pflichtete William ihm bei. »Aber wir haben keinen an Bord.«
»Sir, unten bei den Indenturos gibt’s einen Wundarzt. Kein richtiger Doktor, aber anscheinend versteht er sein Handwerk.«
»Na, vielleicht könnte er McElrond helfen. Kann ich den Mann sprechen?«
»Aye, Sir. Wenn Sie wollen, gehen wir nach meiner Wache zu ihm.«
Den Stock unterm Arm, in breitem Stand, um den Seegang auszugleichen, lehnte William an der Heckgalerie. Die Crusader machte gute Fahrt, das kräftige Hoch über den Azoren beschleunigte den Passat, der sie schnell und gleichmäßig vorantrieb. William betrachtete die Konstellationen am westlichen Himmel. Seit der Abfahrt von Madeira lief der Kurs konstant westwärts, nächstes Ziel war Bermuda. Wenn sie keinem Orkan ausweichen mussten, konnten sie den Archipel bei gleicher Windstärke in zwei bis drei Wochen erreichen und nach einer weiteren knappen Woche die amerikanische Ostküste.
Die Schiffsglocke schlug zum Wachwechsel. Greene übergab das Steuer der nächsten Ruderwache, dann ging er hinunter zum Hauptdeck, öffnete das Großluk und forderte William auf, ihm zu folgen. Nacheinander stiegen sie den Niedergang hinunter in den Rumpf des Schiffes. William wusste, die Indenturknechte waren im zweiten Frachtdeck untergebracht, tief unten in der Last, in einem Bereich, der unterhalb der Wasserlinie lag. Er musste mit Greene also bis zum Kielraum hinunter; kein angenehmer Gedanke.
Vorn unter dem Oberdeck lagen die Mannschaftsquartiere. Die Balkendecke war niedrig, William ging gebeugt zwischen herabhängenden Laternen hinter Greene her. In der Back saßen zwei ältere Matrosen, einer besserte Kleidung aus, der andere schnitzte an einem Robbenzahn. Die Schiffsjungen schliefen in ihren Kojen, die übrigen Schlafplätze waren leer.
William tippte Greene auf die Schulter. »Sagen Sie, wo ist der Rest der Mannschaft?«
»Die ganze Freiwache ist da unten.« Greene deutete zum Boden.
Jetzt bemerkte William ein dumpfes Dröhnen, das aus dem Bauch des Schiffs kam und die Bodenplanken erschütterte. »Sie meinen, die Männer sind bei den Indenturos ? Warum?«
»Das werden Sie gleich sehen, Sir«, sagte Greene und ging weiter. »Folgen Sie mir.«
Er öffnete das nächste Luk, und sie stiegen den Niedergang zum ersten Frachtdeck hinunter, einem flachen, dicht gestauten Laderaum. Hier war das Dröhnen erheblich lauter, es klang wie ein rhythmisches Stampfen, auch Pfiffe waren zu hören und Schreie. Trotz der aufgestapelten Fracht vibrierte der Boden des Zwischendecks im Takt der Erschütterungen.
Vor dem Luk zum letzten Niedergang blieb Greene stehen und sagte: »Wenn wir da unten sind, sollten Sie besser mit niemandem reden. Es ist nämlich so, Sir, die Leute sind hier gern unter sich, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
»Sie meinen, ich sollte gar nicht wissen, was hier vorgeht?«
»Aye, Sir, so könnte man sagen.«
William sah ihm an, dass er sich unbehaglich fühlte. Aber da sie nun schon hier waren, nickte er Greene zu, das Luk zu öffnen.
Der Lärm, der ihnen entgegenschlug, war von massiver, körperhafter
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