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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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Sie sich Mr. Marshall an, der Prototyp des britischen Offiziers, der die Traditionsgene Ihrer Militärkaste zur Schau trägt: Disziplin, kühle, abgeklärte Distanz – die pure Korrektheit. Auf den ersten Blick scheint er über jeden Zweifel erhaben.«
    In Cortés’ Ton lag kaum ein Hauch Ironie. Fletcher wurde erst unsicher, als er Williams Blick bemerkte. »Was für Zweifel meinen Sie?«
    »Nun, Señor Fletcher, Sie sprachen von Machtgier, von der Lust an Gewalt und Unterdrückung et cetera. Glauben Sie denn, es gibt andere Beweggründe für kriegerische Auseinandersetzungen? Denken Sie an Ihre englischen Eroberungskriege. Ein Blick ins Geschichtsbuch, und bei jedem regen sich Zweifel an der Integrität der Kriegsherren. Nehmen wir das jüngste Beispiel, den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg …«
    »Sie meinen die Rebellion!«
    »Wie auch immer, Señor Fletcher. Sie glauben doch nicht, irgendein englischer Befehlshaber hätte den Standpunkt einer höheren Moral bemüht, um Großbritanniens Überlegenheit gegenüber den aufständischen Kolonisten durchzusetzen? Im Gegenteil, sie schickten ihre Eliteeinheiten gegen schlecht bewaffneteProvinzler, überfielen ahnungslose Dörfer und machten die männlichen Bewohner bis hin zu elfjährigen Jungen nieder. Nennen Sie das eine aufgeklärte Art der Kriegsführung?«
    Fletcher reagierte wie erwartet. »Ich behaupte ja nicht, dass alles richtig war. Sie sprechen vermutlich einzelne Exzesse schlecht geführter Truppen an …«
    »Mein lieber Señor Fletcher, erlauben Sie, dass ich Sie korrigiere: Solche Exzesse waren im besetzten South Carolina vor knapp einem Jahr an der Tagesordnung.«
    »Trotzdem können Sie daraus keine Rückschlüsse ziehen auf den offiziellen Angriffsplan oder auf taktische Empfehlungen der Befehlshaber.«
    »Wirklich nicht? Was hatte Ihren Sir Clinton oder Ihren Lord Cornwallis wohl bewogen, derart erbarmungslos gegen die Kolonien zu Felde zu ziehen, wenn nicht die Machtgier Englands und der Wille, sich die abtrünnigen Gebiete gewaltsam wieder einzuverleiben? Hier, unser über jeden Zweifel erhabener Colonel kann Ihnen sicher berichten, wie es zu den Übergriffen kam.«
    »Sir, es verbietet sich, Mr. Marshall mit derartigen Vorkommnissen in Verbindung zu bringen!«
    »Tatsächlich? Ich denke, er ist dabei gewesen.«
    Nun fand William, war es an der Zeit einzugreifen. »Es wäre ein Fehler, Señor, das Ziel unseres Einsatzes in den Kolonien mit den Mitteln zur Erreichung desselben zu verwechseln. Die Kampagnen hatten ihre dunklen Seiten, das will ich nicht bestreiten. Aber wer Krieg führt, muss zur Anwendung äußerster Gewalt bereit sein. Das ist die Grundvoraussetzung, andernfalls kann man es gleich sein lassen.«
    »Ich verstehe«, warf Cortés ein,»der Zweck heiligt die Mittel!«
    »Nicht unbedingt. Als Kommandeur der Britischen Armee muss ich darauf achten, dass unsere Aktionen im angemessenen Verhältnis stehen zu dem vorrangigen Interesse Englands, seinen Einfluss in der Welt zu erhalten.«
    »Wie es sich erwiesen hat, gebührt dem Interesse Amerikas an seiner Freiheit der Vorrang. Die Welt gehört nicht England allein, Colonel.«
    »Bedauerlicherweise«, meinte William ohne jede Ironie.
    Cortés streifte behutsam die Asche von seiner Zigarre und sagte nachdenklich: »Sieben Jahre Krieg, sieben Jahre Besatzung ganzer Provinzen. Jeder weiß, wie schwer die Bevölkerung in den besetzten Gebieten gelitten hat.«
    »Eklatante Verstöße gegen das Kriegsrecht wurden nie heruntergespielt oder geleugnet«, entgegnete William. »Heute erklärt man die Situation damit, dass die Soldaten moralisch korrumpiert gewesen seien. Die Verantwortlichen stellen sich auf den Standpunkt, die ablehnende Haltung der Bevölkerung und ihre Feindseligkeiten gegen die Besatzungstruppen seien schuld gewesen an einer fortschreitenden Verrohung der Sitten; daher konnte es nicht ausbleiben, dass bei Kampfhandlungen oder bei Auseinandersetzungen mit Zivilisten das Kriegsrecht verletzt wurde.«
    »Ein interessanter Standpunkt«, meinte Cortés. »Was sagen Sie dazu, Señor Fletcher?«
    Fletcher fehlten die Worte; Williams zynische Dialektik beschämte den geradlinigen Marineoffizier, sodass er betroffen schwieg. Cortés hatte auch keine Antwort erwartet. Er zog einen der Silberleuchter heran und entzündete an der Kerze seine Zigarre, die überm Reden ausgegangen war. Dabei betrachtete er William mit einem Ausdruck, in dem sich Neugier und Tücke die Waage

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