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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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wenn seine Geisteskrankheit unentdeckt bleiben sollte. Jahrelang hatte Roscoes Freundschaft ihm ausreichend Schutz geboten, aber seit Roscoe ihn verlassen hatte, fühlte er sich nicht mehr sicher. Daher war es für ihn wie ein Geschenk, als er Gabriel Quinn wiedertraf. Er kannte Quinn von der Miliz, damals hatte er den jungen Adjutanten wegen seiner Unerschrockenheit schätzen gelernt. In Augenblicken höchster Gefahr hatten sie sich wortlos verständigt. Reed wusste, dass er ihm blind vertrauen konnte.
    Quinn zögerte nicht, der Aufforderung seines Captain zu folgen und sich auf Hollwo Park zu verdingen. Es dauerte nicht lange, dann bestätigte sich, was anfangs nur eine böse Ahnung gewesen war: Reeds Anwandlungen von Abwesenheit traten regelmäßig auf. Quinn deutete sie als Zeichen eines geistigen Defekts, vielleicht die Vorboten eines mörderischen Impulses. Jedenfalls stand für ihn fest, dass Reed seiner Hilfe bedurfte. Und so kamen sie stillschweigend überein, dass nun er die Verantwortung für Reeds Lebensführung übernahm.
    Als Erstes setzte er Reeds alleiniger Residenz im Herrenhaus ein Ende, indem er den Hausdiener Castor und den Sekretär Marcus im zuvor unbenutzten Dienstbotentrakt einquartierte. Er selbst bezog die Pförtnerwohnung neben der Halle, um immer in der Nähe zu sein. Mit einfachen Dingenwie geregelten Mahlzeiten, festen Bürostunden, Höflichkeitsbesuchen bei Nachbarn oder dem sonntäglichen Kirchgang stellte Quinn die Art von Normalität her, die Reed jahrelang gefehlt hatte. Tatsächlich wirkten die geordneten Abläufe und Quinns bodenständige Natur Reeds Absonderlichkeiten heilsam entgegen. Bald sah es so aus, als wäre sein geistiger Verfall zum Stillstand gekommen.
    Quinn klopfte und trat ein. Ohne zu reagieren, starrte Reed mit leerem Blick zum Fenster. Inzwischen kannte Quinn den Anblick einer Absence. Er trat hinter Reeds Stuhl und legte ihm die Hände mit mäßigem Druck auf die Schultern, indem er beiläufig mit ihm sprach.
    »Sie erinnern sich, Captain, dass Sie sich heute das Training der jungen Galopper ansehen wollten? Wenn wir rechtzeitig zum Start dort sein wollen, sollten wir bald aufbrechen.«
    Reed wandte langsam den Kopf.
    Sofort ließ Quinn ihn los, trat neben ihn und hielt seinen Blick fest, während er ruhig weitersprach: »Ich habe gehört, die neuen Dreijährigen aus Mr. Clayburns Rennstall wären eingetroffen, Sir. Mr. Clayburns Sohn will im ersten Probelauf selber mitreiten …«
    »Wir sprachen unlängst über … Mr. Roscoe«, sagte Reed stockend.
    Quinn dachte kurz nach. »Sagten Sie nicht, er sei in London?«
    »Er wollte zurückkommen … Hier steht, sein Schiff, die Tristar, sei gesunken.«
    »Sir, das tut mir leid für Ihren Lieutenant.«
    Reed nickte abwesend.
    Quinn merkte ihm an, wie verstört er war; womöglich hatte die Nachricht vom Untergang der Tristar die Absence ausgelöst. Es erschien ihm jedenfalls nicht angebracht, dass sich Reed im jetzigen Zustand mit Roscoes tragischem Todauseinandersetzte. Also ging er nicht weiter auf die Zeitungsmeldung ein, sondern blieb beim Thema Rennsport. »Wenn es Ihnen recht ist, Sir, lasse ich unsere Pferde satteln. In einer Viertelstunde können wir unterwegs zur Rennbahn sein.«
    Reed erkannte Quinns Sorge und versuchte zu lächeln. »Es ist gut, Mr. Quinn. Ich komme in zehn Minuten zum Sattelplatz.«
    Nachdem Quinn fort war, las er noch einmal die Nachricht vom Untergang der Tristar. Danach trennte er die Seite mit dem Federmesser aus der Zeitung, faltete das Blatt und steckte es in die Innentasche seines Rocks. Nach dem ersten Schock hinterließ die Nachricht von Roscoes Tod in ihm ein Gefühl hoffnungsloser Leere. Dass er den Freund nie mehr wiedersehen sollte, erschien ihm unerträglich.
    Ein Reitknecht führte Quinns Quarter Horse fertig aufgezäumt auf den Sattelplatz und warf den Zügel locker über die Haltestange, wo das Tier geduldig auf der Trensenkette kauend stehen blieb. Gleich darauf kam Quinn mit Reeds Reitpferd aus dem Stall. Der Fuchshengst war ein prächtiges Tier, doch für den, der ihn betreute, eine Plage. Unter den mitleidigen Blicken der Stallburschen mühte Quinn sich mit Sattel und Zaumzeug ab, während Lone Star empört die Augen rollte, den Kopf hochwarf und ausschlug. Als Quinn endlich den Sattelgurt festziehen wollte, stieß ihn das Pferd mit dem Kopf schmerzhaft in die Seite. »Mach das ja nicht noch mal!«, drohte Quinn mit leiser Stimme.
    Dann kam Reed, und sofort strebte Lone

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