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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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zufällig?«
    »Zufällig hieße, der Täter hätte die Frau im Affekt, etwa im Blutrausch, derartig zugerichtet. Das kommt vor. Hier aber war kein Zufall im Spiel, dies hat es exakt so schon früher gegeben, zweimal, um genau zu sein. In meinen Obduktionsberichten aus den Jahren ’77 und ’79 habe ich beschrieben, dass die identische Methode angewendet wurde, um einen Matrosen und eine junge Kellnerin zu Tode zu foltern. Nach dem Fall von Elverking sind es drei Tote, dieselbe Gegend, dieselbe bizarre Tötungsart. Ich denke, er wird es wieder tun.«
    Quinn wirkte nicht so betroffen, wie man vielleicht erwartet hätte. Ingham bemerkte jedoch, dass er für die Dauer eines Stoßgebets die Augen geschlossen hatte; ein subtiler Hinweis nur, der ihn aber in seiner Annahme bestärkte, dass Quinn den Mörder kannte. Anscheinend hatte er Inghams Warnung verstanden und welche Folgen es haben könnte, wenn er den Mörder schützte, denn er sagte: »Sie meinen, Doktor, er habe schon drei Mal auf diese Art getötet und würde es wieder tun. Wieso? Was für einen Grund sollte jemand haben, Menschen so etwas anzutun?«
    »Sie fragen nach dem Motiv? Halten Sie sich einfach vor Augen, was er getan hat.«
    »Getan? Nun, wenn ich Sie richtig verstehe, quält er seine Opfer systematisch zu Tode.«
    »Sehen Sie!«
    »Glauben Sie etwa, er möchte Menschen langsam und qualvoll sterben sehen?«
    »Ein anderes Motiv ist nicht ersichtlich.«
    »Aber das ist doch …«
    »Krank? Das Verhalten eines Irren? Das wollten Sie doch sagen, Mr. Quinn, nicht wahr?« Nachdenklich nahm Ingham seine Teetasse. »Der Gedanke kam mir bereits, als ich die erste verstümmelte Leiche untersuchte. Wer so etwas macht, muss ein schwer gestörter Mensch sein. Ein Psychopath.«
    Er trank die Tasse in einem Zug leer. Als er sich nachschenkte und auch Quinns Tasse füllen wollte, bemerkte er, dass er seinen Tee nicht angerührt hatte. Was hat der Bursche nur vor?, dachte er ungehalten. War ihm nicht klar, dass noch mehr Menschen sterben würden, wenn er weiterhin schwieg? Ingham war schon so weit, Reeds Namen direkt ins Spiel zu bringen, als Quinn einen neuen Gedankengang einschlug.
    »Gut, Doktor, angenommen, der Erlkönig wäre geisteskrank. Jeder weiß, dass Geistesgestörte sich sonderbar verhalten, darum geht man ihnen aus dem Weg, und wenn sie gefährlich werden, sperrt man sie ein. Ich will damit sagen, ein geistesgestörter Mörder würde auffallen. Er sollte nicht schwer zu finden sein.«
    Ingham hatte ihn unterschätzt. »Sie haben recht, Mr. Quinn«, erwiderte er. »Die meisten Geisteskranken verhalten sich auffällig. Aber es gibt auch Fälle von Wahnsinn, die unbemerkt entstehen. Sie können jemanden viele Jahre kennen, doch sein wahrer Geisteszustand wird erst offenbar, wenn sein Wahn plötzlich hervorbricht.«
    »Demnach müsste vor ungefähr fünf Jahren, als der erste Mord geschah, jemand, der bis dahin normal erschien, durch ein verändertes Verhalten aufgefallen sein, richtig?«
    »So könnte es gewesen sein.«
    »Von da an hätte man gewusst, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Ich meine, ein Irrer, der zu Gewalttätigkeit neigt, wird seinen Zustand schwerlich verbergen können.«
    Ingham nickte nachdenklich. »Richtig, ein manifest gewalttätigerGeisteskranker kann sich nicht auf Dauer verstellen. Er würde es auch gar nicht versuchen, es sei denn, seine Krankheit verbirgt sich hinter dem Anschein von Normalität. Man weiß von Fällen, in denen lediglich ein Teil des Wesens erkrankt, man könnte auch sagen, der Betroffene besitzt eine gesunde und eine kranke Wesenshälfte, und nur in bestimmten Situationen, wenn die kranke Wesenshälfte seinen Geist beherrscht, tritt der Defekt in Erscheinung. Jemand mit einer harmlosen Störungsvariante würde seine Mitmenschen zeitweilig belästigen. Handelt es sich aber um eine schwere aggressive Störung, könnte er in diesem Zustand gefährlich werden.«
    »Und jemanden töten?«, fragte Quinn. »Sie glauben also, jemand würde von einem Augenblick zum anderen gewalttätig, beginge womöglich beispiellose Grausamkeiten und fände kurz darauf zu seiner normalen Verfassung zurück? Denken Sie nicht, man würde erkennen, was in ihm vorgeht?«
    »Vielleicht. Wir wissen darüber noch zu wenig. Es gibt kaum Anzeichen für einen verborgenen inneren Defekt.«
    »Was für Anzeichen, Doktor?«
    »Abwesende Momente, geistige Aussetzer, wenn Sie so wollen; manche sprechen von Absencen. Man glaubt, ein Mensch mit einem

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