Die Plantage: Roman (German Edition)
Hand, küsste die Finger, die Handfläche. »Ich will, dass du meine Frau wirst.«
Sie hielt den Atem an. Als er sich vorneigte, um sie zu küssen, fiel ihm eine Locke in die Stirn, die sie lächelnd mit zarter Hand zurückstrich.
»Wirst du mich heiraten, Tonia?«
»Ich weiß nicht …«
»›Ich weiß nicht‹ will ich nicht hören«, sagte er und küsste sie.
Der Platz war perfekt gewählt, ein Tisch ganz vorn in der Rundung des großen Balkons im ersten Stock. Die flankierenden Säulen waren von Bougainvilleen umrankt, Blütenkaskaden fielen wie ein rosaroter Vorhang über das schmiedeeiserne Geländer herab. Von unten reichten die Blattfächer der Palmettopalmen bis zur Balustrade herauf und wiegten sich raschelnd in der Seebrise.
Ja, es war perfekt, wie alles, was Tyler in die Hand nahm. So auch an diesem Abend, da er sie zum Souper in Charles Towns bestes Restaurant, das Golden Bowl, führte. Unterwegs in der Kutsche hatte sie ihm versprechen müssen, fürs Erste nicht mehr über Joshuas Prozess nachzudenken.
»Morgen werde ich mit unserem Anwalt beraten, wie man in dem Fall am besten vorgeht. Aber dieser Abend ist unser Abend, Tonia, lass ihn uns genießen. Heute gibt es nur dich und mich, alles andere ist unwichtig.«
Sie ließ sich von ihm küssen und war froh, dass er in der dunklen Kutsche die Tränen in ihren Augen nicht sah. ›Es gibt nur noch uns, alles andere ist unwichtig‹ – das waren Williams Worte gewesen in jenem tiefen, atemlosen Moment. Und wo war er heute?
Nein, heute wollte sie nicht an William denken. Sie hatte sich in Tylers perfekte Welt begeben und würde alles geschehen lassen, wie er es entschied. Sie wollte spüren, wie es war, ihm nah zu sein. Sie beobachtete ihn, wie er mit dem Oberkellner das Menü zusammenstellte, wie er sie kurz anlächelte, so völlig sicher in dem Gefühl, das Richtige für sie zu wählen. Jede seiner Gesten bezeugte, wie gewiss er sich seiner Liebe war; jedes Hinneigen des Kopfes, die Berührung seiner Hand auf ihrem Handgelenk, der Druck seines Knies gegen ihr taftumhülltes Bein. Er bezog sie in seine Sphäre ein, war charmant und verliebt und genoss es sichtlich, vollkommen er selbst zu sein. Sie wusste noch genau, wie sie ihm zum ersten Mal in der Bank begegnet war: Erst nachdem er entschieden hatte, ihr in ihrer finanziell prekären Lage entgegenzukommen, hatte er mit ihr geflirtet. Jenseits aller Eitelkeit hatte er genau dadurch ihre Achtung gewonnen.
»Wenn du mich weiter so ansiehst, Tonia, kann ich für nichts garantieren.« Er fasste sie um ihre Taille. »Vielleicht sollten wir gleich nach Hause fahren?«
»Du bist unmöglich!«, flüsterte sie und rückte ein Stück ab, als der Weinkellner den Champagner brachte.
Tyler reichte ihr ein Glas mit dem funkelnden Getränk, sie ließen die Kelche leise aneinanderklingen. »Trink das, dann wirst du etwas gesprächiger. Hätte ich geahnt, dass dir mein Heiratsantrag die Sprache verschlägt …«
»Dann hättest du’s sein lassen?«
»Nein, sicher nicht. Ich konnte gar nicht anders! Übrigens hast du noch nicht ›Ja‹ gesagt.«
»Ich habe auch nicht ›Nein‹ gesagt.«
»Gut, dann muss ich mehr Champagner bestellen.«
Es war so leicht, seinem spielerischen Ton zu folgen. Sie ließ sich von ihm necken und alberte mit ihm herum, und immer war sie sich der Verliebtheit gewahr, die wie ein musikalisches Motiv in seinen Worten schwang.
Nach dem Souper gingen sie hinunter in den Garten des Foundation Club und spazierten Arm in Arm durch die illuminierten Lorbeeralleen. Bei der großen Fontäne trafen sie Mr. Ashley, der mit seinem alten Freund und Geschäftspartner David Bolton aus dem Club gekommen war, um dem Zigarrendunst des Rauchsalons zu entfliehen.
»Ha, Tyler, nun ist es offenbar!«, rief Ashley jovial. »Ihr Engagement für Mrs. Lorimers kleine Plantage kam mir von Anfang an verdächtig vor.« Er nickte wohlwollend, als er seinen Juniorpartner mit der strahlenden Antonia am Arm begrüßte; zu ihr sagte er augenzwinkernd: »Verfügen Sie jederzeit über mich, falls dieser junge Mann Ihre Geduld auf die Probe stellen sollte. Ja, Sie lächeln, meine Liebe! Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.« Dann wandte er sich erklärend an Bolton: »Wissen Sie, David, ich habe noch niemanden kennengelernt, der seine Ziele hartnäckiger verfolgt als Mr. Tyler. Ich bin überzeugt, er ist der jüngste Bankier, Juniorpartner und Shareholder dieses Kontinents …«
»Wozu sich der Kontinent
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