Die Plantage: Roman (German Edition)
Landfriedensbruch? Ich bitte Sie, Richter, dergleichen hat Mr. Robert nicht im Sinn.«
»Sind Sie sicher, Mrs. Lorimer? In dieser Gegend ist man sehr sensibel für die Gefahr, die von einer Agitation der Sklaven ausgehen kann.«
Die Andeutung genügte, offenbar zog er eine Parallele zu dem blutigen Stono-Aufstand in den Vierzigerjahren, der nur unter erheblichen Verlusten auf beiden Seiten hatte niedergeworfen werden können. Die Erinnerung daran hatte sich bei der weißen Bevölkerung als Schreckensvision festgesetzt.
»Gerade jene ehemaligen Sklaven, die ihr Schicksal wie Ihr Verwalter selbst in die Hand nehmen, müssen wir im Auge behalten. Mag sein, dass Mr. Robert sich im Zorn zu der Tat hinreißen ließ. Doch dabei war ihm bewusst, welchen Eindruck sein bewaffneter Auftritt auf die anderen Schwarzen haben musste. Wie Mr. Perkins es darstellt, hat sich Mr. Robert direkt an die versammelten Sklaven gewandt und erklärt, er sei gekommen, um ihren weißen Herrn zu maßregeln – was braucht es mehr, um Unfreie zu Auflehnung und Widersetzlichkeit aufzurufen? Bedenkt man, wie schnell solche Unruhen um sichgreifen und zu landesweiten Aufständen führen können, muss die Anklage gegen Mr. Robert auf Landfriedensbruch lauten.«
Das Bild, das der Richter von Joshua gewonnen hatte, kam nicht von ungefähr. Antonia wusste, dass Joshua den Stolz des dritten Robert Bell geerbt hatte. Als Sohn des mächtigen Pflanzers hatte er sich ehrgeizige Ziele gesteckt, und sein Aufstieg vom Sklaven zum Plantagenverwalter war sicher manchem ein Dorn im Auge. Was ihm aber nun zum Verhängnis wurde, war die Verbindung mit Rovena Mougadou. Der Voodoo-Kult wurde von der weißen Bevölkerung als Bedrohung empfunden, als Hort des Widerstands per se! Kein Richter würde Joshuas Behauptung glauben, er habe mit dem zweifelhaften Umfeld seiner Frau nichts zu schaffen.
Während der Anhörung schwand Antonias Rest von Zuversicht. Sie musste einsehen, dass sie nichts für Joshua tun konnte. Ebenso wenig würde er selbst versuchen, sich zu retten, wie Rovena und die Schwarzen, die im Work House ihrem Prozess entgegensahen.
Niedergeschlagen verließ sie das Gerichtsgebäude. Noah, der bei der Kutsche gewartet hatte, nickte ihr traurig zu, als er ihr beim Einsteigen half. Sie betupfte mit dem Taschentuch Stirn, Hals und Wangen. Sonne und Hitze machten ihr zu schaffen. Sie sehnte sich nach einem kühlen Bad und einem bequemen Hauskleid und sagte Noah, sie wolle unverzüglich nach Lyndon Hall zurückfahren.
Er hatte die Pferde kaum in Bewegung gebracht, als jemand vom Gehsteig rief, er solle anhalten. Der Landauer kam wenige Meter vor dem Bankhaus Ashley & Bolton zum Stehen, neben dem Wagenschlag sagte eine männliche Stimme: »Wieso hast du nicht gesagt, dass du in der Stadt bist?«
Antonia hob überrascht den Kopf. »Andy!« Sie ergriff seine Hand, die auf dem Wagenschlag ruhte. »Es sind furchtbare Dinge passiert, alles läuft irgendwie aus dem Ruder! Ach, Andy, ich weiß nicht mehr weiter!«
Tyler sah, dass sie den Tränen nahe war, darum machte er nicht viel Worte, stieg in die Kutsche und rief: »Zur Meeting Street, rasch!« Während der Fahrt stellte er keine Fragen, hielt nur ihre Hand, bis sie Lyndon House erreicht hatten. Er begleitete sie in ihren Salon und schickte ihre Zofe, den Tee zu bringen. Nach einer Weile, als Antonia nur stumm am Tisch saß, ohne ihre Tasse anzurühren, fragte er: »Möchtest du allein sein? Soll ich lieber gehen?«
»Nein, Andy, bitte bleib!« Sie tat ihr Taschentuch weg, versuchte ein Lächeln. »Bitte setz dich zu mir. Es ist gut, dass du da bist.«
Es stimmte, sie war froh, dass er da war, auch wenn sie ihn von sich aus nicht aufgesucht hätte. Er war ihr keineswegs gleichgültig, sie mochte seinen klugen, verführerischen Charme, seine Klarheit, seinen grundanständigen Charakter. Doch sie scheute vor seinem allzu entschlossenen Liebeswunsch zurück. Seit der Liebelei jenes einen Nachmittags versuchte sie, ihre Begegnungen auf die geschäftlichen Besprechungen in der Bank zu beschränken. Zu Hause verbat sie sich, an ihn zu denken, auf Legacy sollten alle ihre Gedanken William gehören. Es waren wehmütige Gedanken über Verlust und Enttäuschung; die glücklichen Erinnerungen an ihn hätte sie nicht ertragen. Nun aber, in der gegenwärtigen Bedrängnis, war kein Raum für Sentimentalität; jetzt wurde ihr klar, wie sehr sie Tyler brauchte.
Er hörte konzentriert zu, während sie ihm alles erzählte,
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