Die Plantage: Roman (German Edition)
Nachtschwalbe, der Ruf des Unglücksvogels klang klagend durchs Fenster. Im unruhigen Kerzenlicht zeigten sich rosige Male auf Roscoes Haut, Spuren seines letzten Kampfs auf der Crusader. Die Beine lässig gekreuzt, saß er ans Fußende des Bettes gelehnt und spielte mit den Duellpistolen. Zwei Finger um den Abzug jeder Waffe gelegt, ließ er sie abwechselnd in seinen Händen kreisen.
»Spencer wollte sie wiederhaben. Aber ich habe sie mitgenommen, als ich in Bermuda von Bord ging. Eine ist für dich. Welche möchtest du?« Er bog den Kopf zurück und sah nach seinem Freund. »Komm, such dir eine aus.«
Reed hatte sich an der Anrichte ein Glas Wein eingeschenkt. Er trank einen Schluck, kam zurück zum Bett und hielt Roscoe das Glas hin. Roscoe ließ eine Waffe ins Kissen fallen, um das Weinglas zu nehmen. Reed sah ihm zu, wie er in langen Schlucken trank. »Spencer hat dich auf der Überfahrt also gesundgepflegt«, sagte er. »Warum wohl?«
Roscoe zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich ging ihm mein Gewinsel auf die Nerven.« Er leerte das Glas und stellte es auf den Boden. »Und was heißt schon ›gepflegt‹? Er hat mir Laudanum eingeflößt; ein paar Tage länger, und ich wäre von dem Zeug nicht mehr losgekommen.« Unwillig stieß er hervor: »Den Rest der Reise hat er mich wie seinen Sklaven behandelt!«
»Das war sein gutes Recht, Oliver. Er hat deine Indentur erworben, du gehörst jetzt ihm.«
»Nein! Warum sagst du so was? Er hatte beim Kartenspielen Glück, das zählt nicht.«
»Oh, natürlich ist es demütigend, als Spieleinsatz behandelt zu werden. Aber faktisch ändert es nichts, er kann dich als Zeitsklaven für sich arbeiten lassen.«
»Meinst du, er wird mich deshalb bis hierher verfolgen?«
»Oliver, mein Lieber«, Reed lachte unfroh. »Wenn er herkommt, dann, um mit mir abzurechnen.«
»Soll er nur kommen.« Roscoe hob die Pistole, die er immer noch in der Hand hielt, und zielte abwechselnd auf die Kerzen über dem Kamin. »Er müsste wissen, dass er keine Chance hat. Immerhin sind wir zu zweit.«
»Zu dritt, vergiss nicht meinen Adjutanten.«
» Dío , der treue Quinnie!« Roscoe schnaubte verächtlich. »Schick ihn fort. Jetzt, wo ich zurück bin, brauchst du ihn nicht mehr.«
Reed lächelte und streichelte ihm versöhnlich die Wange. Dann nahm er seinen Hausmantel vom Boden, zog ihn an, und sagte, während er den Gürtel um seine Taille band: »Ich habe Quinn eingestellt, damit jemand in der Nähe ist, auf den ich mich verlassen kann. Ich merke, dass es mir in letzter Zeit nicht besonders gut geht.«
»Dir ist es nie gut gegangen, Algie. Darum war ich ja immer bei dir.«
»Die letzten zehn Monate warst du es nicht.«
»Weil du mich rausgeworfen hast!«
»Ich wollte, dass du etwas aus deinem Leben machst, etwas Sinnvolleres als Parties, Wetten, Faro …«
»Oh nein, du hast mich rausgeworfen, weil ich dir zu teuer wurde. Algie, sei ehrlich!«
Reed stand am Bettende und strich Roscoe gedankenverloren durchs Haar. »Es tut mir leid, Oliver. Ich hätte dich nicht fortschicken sollen.«
»Schon gut. Ich bin ja zurückgekommen.«
»Ja, du bist zurückgekommen … Danke.« Er strich ihm weiter durchs Haar. Es war ein angenehmes Gefühl, Roscoes kurzen Schopf zwischen den Fingern hindurchgleiten zu fühlen. Stumm sah er auf ihn herab und wiederholte das langsame Striegeln von der Stirn zum Genick, immer dieselbe Bewegung,wieder und wieder. So sollte es bleiben. Auch du, Oliver, bleib so, bewege dich nicht mehr …
»Algie, was ist?«
Reed antwortete nicht, er streichelte Roscoe zart über die Wange, seine Hand glitt hinab, hinab zu seiner Kehle. Blitzartig griff Roscoe nach Reeds Handgelenk, warf sich herum und packte auch seinen andern Arm.
»Nein, Algie«, sagte er, indem er ihn eisern festhielt. »Das würdest du doch nicht tun?«
Reed rührte sich nicht. Er versuchte nicht, sich zu befreien, sondern sah blicklos in den Raum.
Roscoe wusste, dass sein Freund in einer Absence gefangen war, wo seine Worte ihn nicht erreichen konnten. Vorsichtshalber hielt er ihn fest, bis sich die Katatonie des Anfalls löste. Dann zog er ihn aufs Bett, nahm ihn in die Arme und sagte ihm Worte intimer Vertrautheit.
Reed zeigte keine Reaktion. Nur ein Teil seines Wesens wusste, er war nicht allein.
Seit Reed den verloren geglaubten Freund wieder bei sich aufgenommen hatte, stand Roscoe in seiner Gunst an erster Stelle. Damit musste Quinn sich abfinden. Reed bereitete es Freude, Roscoe jeden
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